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Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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ich.
    Mein Vater war außer Haus, um alles Nötige zu erledigen – dem Vermieter Bescheid sagen, den Wagen auftanken, seinen Job kündigen. Das Packen überließ er immer meiner Mutter. Offenbar war es Frauenarbeit, das ganze Leben in vier Koffern zu verstauen.
    Ich hatte oft zugesehen, wie Mutter dieses Kunststück vollbrachte. Meistens summte sie dabei vor sich hin und bewegte sich wie ein Roboter. Schublade auf, zusammenfalten, in den Koffer legen. Schublade auf, zusammenfalten, in den Koffer legen. Schublade auf, zusammenfalten, in den Koffer legen. Fertig.
    An diesem Tag jedoch saß sie auf der Kante des breiten Bettes im winzigen Schlafzimmer und starrte auf ihre Hände. Ich kroch aufs Bett und lehnte mich an sie.
    Cleveland hatte meiner Mutter gefallen. Zwei ältere Damen, die auf demselben Flur wie wir wohnten, hatten sie unter ihre Fittiche genommen. Sie luden sie am Freitagabend ein, dann spielten sie Karten und tranken Crown Royal. Unser Apartment war sehr klein, aber hübscher als das in St. Louis. Hier gab's keine Kakerlaken. Man hörte nicht das schrille Pfeifen der Vorstadtbahn, die nur einen Block entfernt mit knirschenden Bremsen hielt.
    Meine Mutter hatte einen Teilzeitjob als Kassiererin im Lebensmittelladen an der Ecke. Morgens, nachdem sie mich zum Bus gebracht hatte, ging sie zu Fuß dorthin. An den Nachmittagen machten wir Spaziergänge durch die ruhigen, von Bäumen gesäumten Straßen und fütterten am Teich die Enten.
    Wir hatten ganze achtzehn Monate hier gewohnt und sogar einen bitterkalten Winter überstanden. Meine Mutter behauptete, dass sie der graue, matschige Schnee überhaupt nicht störte, weil er sie an New England erinnerte.
    Ich glaube, meine Mutter hätte es in Cleveland geschafft.
    »Es tut mir leid«, flüsterte ich, als ich neben ihr auf dem Bett saß.
    »Leise.«
    »Vielleicht, wenn wir beide nein sagen …«
    »Weiß du, was ich an Tagen wie diesem mache?«, fragte sie mich.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich denke an die Zukunft.«
    »An Chicago?« Mein Vater hatte gesagt, dass wir nach Chicago gehen würden.
    »Nein, Dummchen. An die ferne Zukunft in zehn, fünfzehn, zwanzig, vierzig Jahren. Ich stelle mir deine Abschlussfeier in der Schule vor. Deine Hochzeit. Und ich träume davon, Enkelkinder im Arm zu halten.«
    Ich schnitt eine Grimasse. »Das wird nie passieren«, erklärte ich.
    »Natürlich.«
    »Nein, ich werde nicht heiraten.«
    Sie lächelte, fuhr mir durchs Haar. Ihre Hände zitterten, aber wir beide taten so, als würden wir es nicht bemerkten. »So denken alle zwölfjährigen Mädchen.«
    »Nein. Ich meine es ernst. Kein Mann, keine Kinder. Wenn man Kinder hat, muss man ständig umziehen.«
    »O Schätzchen«, sagte sie traurig und schloss mich fest in die Arme.
    Ich dachte an meine Mutter, als ich meine Wohnung mit Bella im Schlepptau verließ. Den Elektroschocker hielt ich in der Hand. Es kam mir melodramatisch vor, am helllichten Tag in meinem eigenen Apartmenthaus fast heimlich die Treppe hinunterzuschleichen. Bobby hatte recht: Meine Wohnung war nicht mehr sicher. Wie es in der Agentenwelt und bei Leuten mit einem Doppelleben hieß – meine Tarnung war aufgeflogen. Ich sollte Bobbys Rat annehmen und für eine Weile in einem Hotel unterkriechen.
    Mein Vater hätte das getan.
    Aber die Wohnung verlassen bedeutete Packen. Und Packen bedeutete Koffer. Ich bewahrte die Koffer in meinem Kellerabteil auf.
    Unzählige Male hatte ich schon Sachen aus meinem Kellerabteil geholt. Ich redete mir ein, dass es heute nicht anders war als sonst.
    Der Boden knarrte unter meinen Füßen. Sofort zuckte ich zusammen und erstarrte. Ich stand im zweiten Stock vor der Tür zum Apartment 3 C. Mein Herz pochte; ich wartete auf das, was als Nächstes geschah. Gleich darauf nahm ich mich zusammen und schalt mich für meine Schreckhaftigkeit.
    Ich kannte die Mieter von 3 C. Ein junges berufstätiges Pärchen. Sie hatten eine grau gescheckte Katze mit Namen Ashton, die immer fauchte, wenn Bella an der geschlossenen Tür vorbeiging. Abgesehen von Ashtons Feindseligkeit war es uns gelungen, in den letzten drei Jahren friedlich nebeneinander zu leben. Es gab keinen Grund, plötzlich vor den Leuten Angst zu haben.
    Andererseits – warum sollte ich keine Angst vor den Bewohnern von 3 C haben?
    Ich ging in die erste Etage hinunter, dann ins Parterre. In der Lobby erwartete mich die schlimmste Hürde. Meine Hände zitterten. Ich musste mich anstrengen, mein Ziel nicht aus den Augen zu

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