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Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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lebten.
    Bobby blätterte den ganzen Ordner durch, allmählich jedoch verschwammen ihm die Zeilen vor den Augen. Er fing noch einmal von vorn an.
    »Was suchen Sie eigentlich?«, wollte Sinkus wissen.
    »Keine Ahnung.«
    »Das erschwert die Sache.«
    »Und was machen Sie gerade?«
    Sinkus hielt einen dicken Ordner hoch. »Personal.«
    »Ah. Irgendwas Vielversprechendes?«
    »Nur Adam Schmidt, der perverse Pfleger.«
    »Haben Sie ihn schon ausfindig gemacht?«
    »Ich arbeite daran. Was ist mit dem Alter?«, fragte Sinkus. »Sie suchen nach einem Patienten, der Tommy Grayson sein könnte, nicht wahr? Er war sieben Jahre jünger als Russell Granger. Seit seinem sechzehnten Lebensjahr saß er immer wieder im Gefängnis oder war in einer Klinik.«
    »Das zumindest hat Russell seinerzeit behauptet.«
    »Demnach müsste Tommy, falls er jemals ins Boston State Mental eingewiesen wurde, gerade mal zwanzig gewesen sein oder jünger.«
    Bobby überlegte. »Ja, so ungefähr.«
    Er sah die Akten noch einmal durch und stieß auf vierzehn Männer – mit Eola und einem anderen, dem Straßenjungen Benji, von dem Charlie Marvin erzählt hatte und der in der Klinik untergebracht war, aber täglich die Boston Latin School besucht hatte.
    Bobby sah auf seine Uhr und erschrak. Er hatte bereits anderthalb Stunden vertrödelt und immer noch kein Hotel gefunden, in dem man auch Bella aufnehmen würde.
    Er nahm die vierzehn Krankenblätter. »Was dagegen, wenn ich mir diese hier kopiere?«
    »Nur zu. Hey, haben Sie nicht gesagt, dass Charlie Marvin im Boston State Mental gearbeitet hat?«
    »Er war Pfleger«, präzisierte Bobby. »Während seiner College-Zeit. Später bot er seine Dienste als Pfarrer an, bis die Klinik geschlossen wurde.«
    »Sind Sie ganz sicher?«
    »Das hat er gesagt. Warum?«
    Sinkus schaute auf. »Bobby, ich habe Gehaltsabrechnungen von Jahrzehnten vor mir. Von den fünfziger Jahren bis zur Schließung der Anstalt. Ein Charlie Marvin hat in dieser Einrichtung nie auch nur einen Cent verdient.«

35
    »Brauchen Sie Hilfe?«, rief Charlie von oben.
    »Oh, es geht schon. Ich komme rauf.« Bella stürmte schon die Treppe hinauf. Während ich Charlies plötzliches Erscheinen eher beunruhigend fand, war sie überglücklich, ihren neuen besten Freund zu sehen.
    Sie hüpfte, sprang und leckte. Ich schleppte die drei Gepäckstücke die Treppe hinauf und überlegte fieberhaft. Soweit ich wusste, hatte Charlie meine Adresse nicht. Wohin, verdammt, hatte ich den Elektroschocker gesteckt?
    Dann fiel es mir ein. Ich hatte ihn in ein Regalfach in meinem Keller gelegt, und der war nun verschlossen. Fast hätte ich kehrtgemacht und wäre zurückgegangen.
    »Wie es scheint, hatten Sie beide einen schönen Tag«, rief Charlie, als ich ins graue Tageslicht der Lobby trat. Ich bemerkte, dass einer meiner Nachbarn die Haustür blockiert hatte, damit sie nicht zufiel. Wahrscheinlich lud jemand Lebensmittel aus. Das würde eine großartige Schlagzeile im Boston Herald geben: »Junge Frau ermordet, während Nachbar seinen Kühlschrank auffüllt.«
    Ich musste ruhiger werden. Wieder jagten mir sogar die Schatten Angst ein. Wie Bobby meinte, hatte Charlie die ganze Nacht im Pine Street Inn verbracht. Er konnte dieses Geschenk also nicht vor meine Tür gelegt haben. Als ich vor ihm stand, merkte ich, dass Charlie gar nicht so groß, kräftig oder bedrohlich war. Als ich die Koffer abstellte, um die Hände frei zu haben, ging er in die Hocke und kraulte meinen Hund.
    »Ein Officer hat im Obdachlosenasyl angerufen und nach mir gefragt«, erzählte er beiläufig.
    »Ach, ja? Das tut mir leid.«
    »Ich musste lachen«, sagte Charlie. »Dass ich in meinem Alter noch einmal das Interesse der Polizei wecken würde, wäre mir im Traum nicht eingefallen. Einer der Jungs, der das Asyl leitet, kann den Polizeifunk abhören. Natürlich haben wir uns nach dem Anruf eingeschaltet. Die Zentrale nannte diese Adresse, und da ich meine Nase immer in die Angelegenheiten anderer stecke, dachte ich, ich komme persönlich vorbei und sehe nach Ihnen. Ich musste immerzu daran denken, dass es vielleicht meine Schuld sein könnte.«
    »Ihre Schuld?«
    »Jemand verfolgt mich«, erklärte er offen. »Davon bin ich überzeugt. Es fing an dem Tag an, an dem ich Sergeant Warren und Detective Dodge in Mattapan begegnet bin. Anfangs war ich mir nicht sicher. Ich fühlte mich nur ständig beobachtet. Vielleicht war mein Verfolger auch an dem Abend, als wir uns im Park über den

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