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Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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»Charlie Marvin hat gelogen. Das genügt mir.«
    »Er passt nicht«, beharrte Bobby und startete den Motor. »Onkel Tommy müsste um die fünfzig sein. Charlie Marvin sieht aus wie Anfang, Mitte sechzig.«
    »Vielleicht sieht er nur so aus. Das Leben als Krimineller ist strapaziös – vielleicht altert ein Verbrecher schneller als andere Leute.«
    Bobby antwortete nicht. Er raste mit heulender Sirene über rote Ampeln in Richtung Pine Street Inn.
    Ich drehte mich zur offenen Wohnungstür um. Da war niemand. Ich zuckte zurück und erwartete den Angriff.
    Charlie Marvin stand noch an Ort und Stelle und strahlte mich an. Jetzt wurde mir einiges klar: Mr. Marvin war nicht mehr ganz richtig im Oberstübchen – er hörte Stimmen. Allerdings horchte Bella auch auf. Sie saß zwischen uns in meiner kleinen Küche und fiepte nervös.
    »Besser spät als nie«, zischte ich ihr zu, doch Sarkasmus ist bei Hunden absolut wirkungslos.
    »Sie sind sehr schön«, sagte Charlie.
    »Oh, jetzt werde ich rot.«
    »Leider ein bisschen zu alt für meinen Geschmack.«
    »Und so schnell ist der Zauber verflogen.«
    »Aber Sie sind der Schlüssel. Sie sind diejenige, die er eigentlich haben will.«
    Mir stockte der Atem, mein Mund wurde staubtrocken. Ich sollte etwas tun. Das Telefon. Um Hilfe schreien. Die Treppe hinunterlaufen. Aber ich rührte mich nicht. Mich interessierte allen Ernstes, was Charlie Marvin zu sagen hatte.
    »Sie wussten davon«, flüsterte ich.
    »Ich hab's gefunden. Vor ein paar Jahren, nachts. Als bekannt wurde, dass sie die Gebäude einreißen und dem Erdboden gleichmachen wollten, ging ich noch mal hin, um Abschied zu nehmen. Um adieu zu einem Ort zu sagen, zu dem ich eigentlich nie wieder zurückkehren wollte. Plötzlich hörte ich ein Rascheln im Wald. Ich wurde neugierig. Ich hätte schwören können, dass ein Mann im Wald umherschlich, und im nächsten Moment war er plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Fast hätte ich an Gespenster gedacht. Selbstverständlich bin ich nicht abergläubisch. In den folgenden Nächten machte ich weitere Erkundungstouren, und in der vierten entdeckte ich den Lichtschein. Ich wartete, verborgen hinter Bäumen. Und dann sah ich den Mann aus der Erde aufsteigen. Er löschte die Laterne und verschwand im Wald. Beim nächsten Mal nahm ich eine Taschenlampe mit und ging kurz vor Sonnenaufgang zu der Stelle. Ich fand die Öffnung und stieg in die Kammer hinunter. So etwas hatte ich im Leben nicht erwartet. Es raubte mir den Atem. Das Werk eines Künstlers.«
    »Wer hat dieses Werk vollbracht, Charlie? Wer kam aus dieser unterirdischen Kammer? Wer hat diese Mädchen getötet?«
    Er schüttelte den Kopf. »Sechs Mädchen. Immer sechs Mädchen. Nicht mehr und nicht weniger. Ich sah regelmäßig nach, wartete auf irgendwelche Veränderungen. Aber Jahr um Jahr blieb alles gleich. Zwei Reihen, je drei Leichen. Das perfekte Publikum. Und ich bin diesem Mann nie wieder begegnet, obwohl ich es weiß Gott versucht habe. Ich hatte so viele Fragen, die ich ihm stellen wollte.«
    »Haben Sie die Mädchen getötet? Geht das, was in dieser Kammer gefunden wurde, auf Ihr Konto?«
    Er fuhr fort, als hätte ich nichts gesagt: »Und vor kurzem erfuhr ich aus den Nachrichten, dass das Grab entdeckt wurde. Ein weiteres Opfer der Stadt. Doch dann kam mir ein Gedanke. Der Fund würde ihn zwingen, sich noch einmal zu zeigen – bestimmt wollte er sein Werk ein letztes Mal bewundern. Also hielt ich mich wieder öfter auf dem Gelände auf, in der Hoffnung, einen Blick auf ihn werfen zu können. Aber ich begegnete nur Ihnen, und Sie sind eine Lügnerin.«
    Zum ersten Mal veränderte sich sein Tonfall, wurde bösartiger. Instinktiv wich ich einen Schritt zurück.
    »Wer sind Sie?«, fragte ich. »Bestimmt kein Pfarrer.«
    »Ein ehemaliger Patient. Und Sie, wer sind Sie?«
    »Ich bin tot«, antwortete ich unverblümt. »Ich bin das Gespenst, das auf dem Gelände spukt. Ich warte auf die Rückkehr des Monsters, damit ich es töten kann.«
    Charlies blaue Augen verengten sich. »Annabelle Granger. Ihr Name stand in der Zeitung. Ein Mädchen aus der Grube. Sie sind wirklich tot.« Plötzlich lächelte er. »Sie müssen wissen, mein Herz hängt an Ihrer blonden Freundin, der Polizistin«, erklärte er verschlagen. Ich sah, wie eine Klinge in seiner Hand aufblitzte. »Aber wenn ich genauer darüber nachdenke, liebe Annabelle, dann wäre ich auch mit dir zufrieden.«
    Bobby beschrieb dem jungen Latino, der sie im Pine

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