Kuehles Grab
Street Inn begrüßte, hastig das Äußere von Charlie Marvin. Juan Lopez bestätigte, dass dieser Mann tatsächlich der freiwillige Seelenbeistand und Helfer im Obdachlosenasyl war. Seit zehn Jahren, um genau zu sein. Eins zu null für die guten Jungs.
Allerdings hielt sich Mr. Marvin derzeit nicht im Haus auf. Er war vor einer Stunde gegangen. Nein, Lopez wusste nicht, wohin. Schließlich war Mr. Marvin ein freiwilliger Helfer. Sie achteten nicht auf seine Arbeitszeiten. Es war allgemein bekannt, dass Mr. Marvin auch auf die Straße ging und die Obdachlosen besuchte. Am besten würde man in den Parks nach ihm suchen.
Bobby versicherte ihm, dass bereits einige Officers unterwegs seien. Marvin werde dringend wegen einer Befragung gesucht.
Lopez war verblüfft. »Unser Charlie Marvin? Buschiges weißes Haar, strahlend blaue Augen, immer ein Lächeln auf dem Gesicht? Charlie Marvin? Was hat er gemacht, Mann? Hat er die Reichen bestohlen und die Beute den Armen gegeben?«
»Es geht um eine offizielle Ermittlung. In einem Mordfall. Rufen Sie uns an, sobald Sie ihn sehen, Mr. Lopez.«
»Okay. Aber wenn ich genauer darüber nachdenke, dann würde ich an Ihrer Stelle nach Mattapan fahren und mich auf dem Gelände der alten Klinik umschauen. Sie wissen schon – das Grundstück, auf dem man dieses Erdloch gefunden hat. Charlie treibt sich dort Tag und Nacht herum, seit … Hey, Sie glauben doch nicht …«
»Vielen Dank, Mr. Lopez. Wir bleiben in Verbindung.«
Bobby und D. D. fuhren sofort nach Mattapan. Bobby holte sein Handy aus der Tasche und wählte Annabelles Nummer.
Charlies ersten Angriff hatte ich vorausgesehen und wich zur Seite aus, während mein Gehirn mehrere Dinge auf einmal verarbeitete. Charlie Marvin war früher Patient im Boston State Mental gewesen. Er hatte die unterirdische Kammer entdeckt, und statt sich voller Grausen abzuwenden, war er begeistert von diesem Werk.
Nach dem ersten fehlgeschlagenen Ausfallschritt tauschten wir die Plätze in meiner engen Küche. Plötzlich wurde mir bewusst, dass Charlie mit diesem Manöver genau das erreicht hatte, was er wollte. Jetzt stand er zwischen mir und der offenen Wohnungstür.
Er beobachtete, wie mein Blick über seine Schulter wanderte, nach einer Fluchtmöglichkeit suchte, und lächelte. »Nicht schlecht für einen alten Knacker, was? Ich muss zugeben, dass es schon Jahre her ist, aber ich denke, etwas von der alten Zauberkraft ist noch da.«
Bella verschanzte sich hinter meinen Beinen, die Nackenhaare aufgestellt, und knurrte leise.
Du musst kläffen, beschwor ich im Stillen meinen Hund. Dies ist genau die richtige Gelegenheit, ordentlich Radau zu machen! Doch sie knurrte nur. Im Grunde konnte ich ihr das nicht übelnehmen, denn auch ich brachte keinen Schrei zustande.
Angst lähmt manchmal die Stimmbänder, hatte mein Vater gesagt. Offenbar hatte er gut Bescheid gewusst.
Charlie trat einen Schritt vor, ich wich zurück und stieß gegen die Küchentheke. Der Platz hier war zu beengt für irgendwelche Kunststücke, aber mir war klar, dass ich mich nicht weiter von der Wohnungstür wegdrängen lassen durfte. Die offene Tür, das Treppenhaus … das war meine größte Hoffnung.
Ich fand meine Balance, war bereit, einen Angriff abzuwehren. Charlie war kein junger Mann mehr, und ein Messer war nicht so gefährlich wie eine Schusswaffe.
Charlie täuschte einen Angriff von rechts an.
Ich wappnete mich.
Bella sprang im letzten Moment zwischen uns. Ich hörte meine heroische Hündin japsen, als sich die Klinge in ihre Brust bohrte.
Das Telefon klingelte. Es klingelte und klingelte.
Der Anrufbeantworter schaltete sich ein. Bobby hörte Annabelles Stimme vom Band: »Im Moment sind wir nicht erreichbar. Hinterlassen Sie nach dem Piepton Ihren Namen und Ihre Telefonnummer.«
»Annabelle«, sagte Bobby eindringlich. »Annabelle, heb ab. Wir müssen reden. Ich habe neue Informationen über Charlie Marvin. Leider verspäte ich mich ein wenig, nimm wenigstens den Hörer ab!«
Nichts. Hatte sie es satt gehabt, auf ihn zu warten, und war allein losgezogen? Dieser Frau war alles zuzutrauen. Vielleicht hatte er deshalb solche Angst um sie.
Verdammt. Er trat auf die Bremse.
»Was, zur Hölle …«, schrie D. D.
»Er ist ihr gefolgt.«
»Wer?«
»Marvin. Er hat sie gestern Abend im Park gesehen. Ich wette zwanzig zu eins, dass Charlie Marvin weiß, wo Annabelle wohnt.«
36
Bella sank zusammen, das Telefon klingelte, und ich hörte mich krächzen: »Du
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