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Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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habe mich geirrt. Die DNA ist entscheidend. Die Gene leben weiter. Unser Vater lebt in dir.‹
    Ich meinte, seine Theorie sei faszinierend, weil schließlich er derjenige sei, der eine Waffe in der Hand hielt.
    ›Stimmt‹, bestätigte er, ›denn ich persönlich hätte nie gedacht, dass ich so was fertigbringe.‹
    Dann schoss er auf mich, zielte und jagte mir eine Kugel in den Kopf.« Bens Finger berührten die Narbe.
    »Ein Schock ist eine seltsame Sache. Ich hörte den Knall, fühlte den brennenden Schmerz hinter der Stirn, blieb aber lange aufrecht stehen – zumindest glaube ich das. Ich stand da und sah meinen Bruder an.
    ›Ich liebe dich‹, sagte ich. Dann fiel ich.
    Er kam zu mir.
    ›Versprich mir, dass du mich nie im Stich lässt‹, sagte ich, doch Roger ging hinaus.
    Ich weiß nicht, wie lange ich noch in dem Haus blieb. Ich verlor das Bewusstsein, und als ich wieder zu mir kam, merkte ich, dass ich mich bewegen konnte. Also ging ich, bis mich ein Typ ansprach: ›Mann, Sie brauchen einen Arzt.‹
    Er rief einen Krankenwagen. Sechs Stunden später holte ein Chirurg eine Kugel vom Kaliber zweiundzwanzig aus dem vorderen Teil meines Gehirns. Das war vor fast fünfundzwanzig Jahren, und seither habe ich nichts mehr wirklich empfunden. Kein Glück, keine Trauer. Keine Verzweiflung, keine Wut. Nicht einmal Einsamkeit. Das, meine liebe Amy, ist kein Leben.«
    Tommys Geschichte schien sich dem Ende zuzuneigen. Ich war immer noch starr vor Schreck. Weil mein Vater auf seinen Bruder geschossen hatte. Weil Tommy den Kopfschuss überlebt hatte. Weil zwei Brüder ein Leben in einem Zyklus von Gewalt verbracht hatten.
    »Du fühlst nichts?«, fragte ich vorsichtig. »Überhaupt nichts?«
    Tommy schüttelte den Kopf.
    »Du hast keine Mädchen mehr belauert?«
    »Ich kann mich nicht mehr verlieben.«
    »Dann brauchst du mich nicht.«
    »Doch, natürlich. Du bist meine Familie. Jeder braucht eine Familie.«
    »Ben …«
    »Tommy. Ich will hören, wie du den Namen aussprichst. Es ist so viele Jahre her. Komm, Amy. Für deinen Onkel. Lass es mich aus deinem Munde hören.«
    Vielleicht hätte ich ihn bei Laune halten sollen, aber in dem Moment, als er mich bat, seinen Namen zu sagen, konnte ich es nicht. Ich war gefangen in meiner eigenen Wohnung, blutete, war erschöpft und hielt meinen sterbenden Hund im Arm. Meinem Onkel seinen Namen zu verweigern war die einzige Macht, die mir geblieben war.
    Ich schüttelte den Kopf, und mein emotionsloser Onkel Tommy bückte sich und schlug mir ins Gesicht. Meine Lippe platzte auf, ich schmeckte Blut. Ich saugte es ein und spuckte ihn an.
    »Ich hasse dich!«, schrie ich.
    Seine Faust schoss auf mich zu; mein Kopf prallte an die Tür.
    »Sag meinen Namen!«, brüllte er.
    »Verpiss dich!«
    Er holte aus, doch dieses Mal war ich darauf gefasst.
    »Hey, Ben«, schrie ich. »Fang!«
    Ich warf ihm Bella zu und betete, dass selbst ein mordlustiger Geistesgestörter den Instinkt hatte zuzufassen.
    Bobby war noch einen halben Block von Annabelles Wohnung entfernt, zwanzig Meter vor D. D., die ihm mit lockeren Schritten folgte. Er versuchte immer noch, sich einzureden, dass es eine plausible Erklärung dafür gab, dass Annabelle nicht ans Telefon gegangen war.
    Dann hörte er den Schrei. Der Eingang zum Haus stand sperrangelweit offen. Ein junger Mann rannte auf die Straße. »Polizei, Polizei! Jemand muss die Polizei rufen. Ich glaube, der UPS-Mann versucht, sie umzubringen!«
    Bobby stürmte die Treppe hinauf, als D. D. ihr Mobiltelefon zückte und Unterstützung anforderte.
    Ben taumelte unter Bellas Gewicht zurück, und endlich konnte ich schreien – es war ein schriller Schrei voller Verzweiflung, der lauteste, den ich jemals ausgestoßen hatte. Ich hasste mich dafür, dass ich meinen besten Freund, meinen Hund, geopfert hatte. Und ich hasste Ben, weil er mich dazu gezwungen hatte.
    Ich warf mich gegen die Tür, arbeitete verzweifelt an den Riegeln und Schlössern. Die ersten zwei hatte ich offen, als mein Onkel Bella fallen ließ und mich am Shirt zurückzerrte. Ich wirbelte herum, stieß ihm den Ellbogen gegen den Kopf, schlug ihm die Brille von der Nase.
    Er fiel nach hinten. Ich löste die Kette.
    »Komm schon, komm schon, komm schon …«
    Meine Finger zitterten so sehr, dass sie mir nicht mehr gehorchten. Ich schluchzte hysterisch, verlor die Beherrschung.
    Dann hörte ich etwas. Schritte, die die Treppe heraufpolterten. Eine vertraute Stimme. »Annabelle!«
    »Bobby!«,

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