Kuehles Grab
dieses Wedeln mit der Hand.
Sinkus änderte seine Strategie. »Haben Sie Schriftstücke aus dieser Zeit? Vielleicht Postkarten oder Briefe, die Christopher geschrieben hat. Oder eigene Tagebucheinträge …«
»Einspruch«, warf Barron ein.
»Ich verlange nicht, das Tagebuch einzusehen«, erklärte Sinkus rasch. »Ich möchte mir lediglich ein genaueres Bild von Christophers Abenteuern machen. Daten, Orte, Menschen, mit denen er zusammen war. Ich wäre dankbar für eine kurze Zusammenstellung.«
Damit hätten sie eine Liste von Orten, in denen Christopher nach seinem Aufenthalt in Bridgewater untergetaucht sein könnte. Warum sollte er sich in einem schäbigen Hotel in den USA verstecken, wenn er in Paris einigermaßen frei leben könnte?
Mr. Eola gab murrend seine Zustimmung.
Sinkus fasste zusammen: »Christopher beendete also die Highschool, ging auf Reisen und kam zurück, um sich für ein College zu bewerben …«
»Welche Universitäten hat er ins Auge gefasst?«, meldete sich Bobby zu Wort und erntete damit einen warnenden Blick von Sinkus. Er ignorierte die stumme Zurechtweisung – er hatte Gründe für diese Frage.
»Oh, die üblichen.« Mrs. Eola blieb wieder vage. »Harvard, Yale, Princeton. Er wollte an der Ostküste bleiben und nicht zu weit weg von zu Hause studieren. Ja, wenn ich jetzt darüber nachdenke … Er hat sich sogar für das Massachusetts Institute beworben. Eine eigenartige Wahl. Das MIT und die schönen Künste oder Psychologie? Na ja, bei Christopher wusste man nie, was in seinem Kopf vorging.«
Sinkus nahm die Zügel wieder in die Hand. »Freuten Sie sich, ihn wieder zurückzuhaben?«
»O ja«, hauchte Mrs. Eola. Ihr Mann verwies sie mit einem strengen Blick in ihre Schranken.
»Hören Sie«, schaltete sich Eola senior unwirsch ein. »Ich weiß, was Sie eigentlich wissen wollen. Warum machen wir es nicht kurz? Wir haben unseren einzigen Sohn in die psychiatrische Klinik eingewiesen und ihn persönlich dort abgeliefert. Was sind das für Eltern, die so etwas fertigbringen?«
»Also schön, Mr. Eola. Was sind das für Eltern?«
Eola senior hob den Kopf noch höher. Man hatte den Eindruck, als wäre die Haut zu straff über die Gesichtsknochen gespannt worden. »Das Folgende darf diesen Raum nicht verlassen.«
Zum ersten Mal geriet Sinkus ins Schlingern. »Aber, Mr. Eola …«
»Schalten Sie sofort das Aufnahmegerät aus, junger Mann, sonst erfahren Sie gar nichts mehr von mir.«
Sinkus sah hilfesuchend zu D. D. Sie nickte. »Tun Sie es! Wir wollen hören, was Mr. Eola zu sagen hat.«
Sinkus streckte die Hand aus und schaltete den Rekorder aus. Wie auf Stichwort legte die Anwaltssekretärin Stift und Block weg und faltete die Hände auf dem Schoß.
»Sie müssen verstehen«, begann Mr. Eola. »Es war nicht allein seine Schuld. Dieses Mädchen, die Belgierin – sie hat ihn verdorben. Wenn wir die Situation früher durchschaut, schneller gehandelt hätten …«
»Welche Situation, Sir? Inwiefern haben Sie etwas versäumt?« Sinkus klang nach wie vor geduldig, respektvoll. Eola würde ihnen geben, was sie wollten.
»Ein Au-pair-Mädchen. Wir stellten die Belgierin ein, als Christopher neun und Natalie drei war. Bis dahin hatten wir ein großartiges Kindermädchen, doch die hat uns verlassen, um eine eigene Familie zu gründen. Wir wandten uns an dieselbe Agentur, und die empfahl uns Gabrielle. Wir hatten bis dahin so gute Erfahrungen mit den Vermittlungen dieser Agentur gemacht, dass wir Gabrielle sofort einstellten. Wir dachten, ein Au-pair-Mädchen ist so gut wie jedes andere. Gabrielle war jünger, als wir erwartet hatten. Einundzwanzig, frisch aus der Schule. Sie war ganz anders als das alte Kindermädchen – lebenslustiger und fröhlicher.« Er verzog das Gesicht. Die Attribute »lebenslustig« und »fröhlich« waren in seinen Augen nichts Lobenswertes. »Manchmal dachte ich, dass sie zu ungezwungen mit den Kindern umginge. Aber sie war tatkräftig und schien zu wissen, an welchen Abenteuern unsere Kinder Spaß hatten. Insbesondere Christopher war ganz vernarrt in sie.
Als unser Junge zwölf wurde, gab es diesen Zwischenfall in der Schule. Er war ziemlich zart für sein Alter und sehr sensibel. Einige der Mitschüler begannen sich über ihn lustig zu machen. Sie grenzten ihn aus, hänselten ihn. Eines Tages ging das Ganze ein bisschen zu weit. Es kam zu einer Schlägerei, aus der Christopher nicht als Sieger hervorging.« Eolas Lippen zuckten.
Bobby konnte nicht
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