Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
Vom Netzwerk:
am Straßenrand besetzt. Dennoch bog Bobby nicht auf den Parkplatz der Polizei ein – nicht nur, weil bekannt war, dass dort ständig Autos aufgebrochen wurden. Wie die meisten Ermittler wollte er seinen Wagen so abstellen, dass er sofort losfahren konnte, sollte sich etwas Unerwartetes ereignen. Das hieß, er musste so nahe ans Gebäude heran wie möglich.
    Beim dritten Vorbeifahren hatte er Glück. Bobby steuerte seinen Wagen in eine enge Lücke.
    Er hielt bereits seinen Ausweis in der Hand, als er zum Eingang eilte. D. D. hatte wahrscheinlich schon den Rest des Teams zusammengetrommelt und diskutierte über die Strategie für ihr nächtliches Rendezvous. Sollte sie das echte Medaillon mitnehmen? Oder Vergeltung riskieren, wenn sie einen Ersatz mitbrachte?
    Sie würden die Übergabe versuchen, daran hatte Bobby keinen Zweifel. Es war eine zu gute Gelegenheit, ihre Beute ans Licht zu zerren.
    Bobby passierte die Sicherheitsschranke, zog seinen Ausweis durch das Lesegerät und lief die Treppe hinauf.
    Denk nicht an die Frau, die du nie hättest küssen dürfen! Du hast eine Mission. Bleib bei der Sache!
    Er stieß die Tür zum Flur auf und überlegte, ob er weiterlaufen sollte, als ihm gegenüber eine andere Tür aufging und D. D. ihren Kopf herausstreckte.
    Er zuckte erschrocken zusammen. »Ist die Besprechung da drin?«, fragte er verwirrt.
    D. D. schüttelte den Kopf. »Das Team kommt in dreißig Minuten zusammen. Eolas Eltern sind gerade eingetroffen. Komm bitte dazu!«
    Bobby war noch nie im großen Konferenzraum gewesen, der wesentlich freundlicher aussah als die anderen Räume, die dem Morddezernat zur Verfügung standen.
    Ein Blick genügte, und er wusste, warum D. D. so viel Aufhebens machte. Die Eolas waren nicht allein gekommen, sondern hatten eine ganze Entourage mitgebracht.
    Er brauchte volle fünf Minuten, um sich zu orientieren. Schräg links gegenüber von ihm saß ein Gentleman, Alter zwischen achtzig und hundert, dunkler Anzug, schütterer Haarkranz, pergamentartige Haut und eine gebogene Patriziernase – das war Christopher Eolas Vater, Christopher senior. Zu seiner Rechten eine gebrechliche, mit Altersflecken übersäte Frau in dunkelblauem Chanel-Kostüm und mit großen Perlen – Pauline, Christopher Eolas Mutter. Neben ihr ein anderer älterer Herr in teurem Doppelreiher; er hatte dichteres Haar und war wesentlich fülliger – der sprichwörtliche fette Kater und Eolas Anwalt John J. Barron. Zu seiner Linken ein jüngerer, dünnerer Abklatsch von ihm, der künftige Partner in der Kanzlei, Robert Anderson. Dann das weibliche Gegenstück im unauffälligen Kostüm mit streng zurückgekämmten Haaren, eckiger Nickelbrille mit dem Namen Helene Niaru. Und zu guter Letzt noch eine junge, umwerfend schöne Frau, die gewissenhaft mitschrieb und nie mit Namen vorgestellt wurde – die Sekretärin.
    Eola muss ganz schön tief in die Tasche greifen, um all die Arbeitsstunden zu bezahlen, dachte Bobby, und das wegen eines Sohnes, von dem er angeblich seit Jahrzehnten nichts gehört hatte.
    »Ich möchte zu Protokoll geben, dass ich dieser Zusammenkunft keineswegs gern zugestimmt habe«, erklärte Eola senior mit altersbrüchiger Stimme, aber in dem entschiedenen Ton eines Mannes, der daran gewöhnt war, dass seine Befehle und Anweisungen unverzüglich ausgeführt wurden. »Ich bin der Ansicht, dass es voreilig, ja geradezu unverantwortlich ist, mit dem Finger auf meinen Sohn zu zeigen.«
    »Niemand zeigt auf irgend jemanden«, beschwichtigte Detective Sinkus. Er hatte die Eolas ausfindig gemacht, also übernahm er die Gesprächsführung. »Ich versichere Ihnen, dies ist eine reine Routinebefragung. Nach der Entdeckung in Mattapan sind wir natürlich bestrebt, so viel wie möglich über alle Patienten, die im Boston State Mental Hospital untergebracht waren, in Erfahrung zu bringen.«
    Eola senior zog skeptisch die grauen Augenbrauen zusammen. Seine zierliche Gattin tupfte sich mit einem Taschentuch die Tränen aus den Augen. Anscheinend brachte sie allein der Gedanke an ihren Sohn zum Weinen.
    Bobby fragte sich, wo ihre Tochter war, die Tochter, mit der Christopher angeblich eine »unschickliche« Beziehung gehabt hatte. Nach dreißig Jahren dürfte sie doch erwachsen genug sein, um eine eigene Meinung zu alldem zu haben.
    Der Anwalt räusperte sich. »Selbstverständlich erklären sich meine Mandanten zu einer Kooperation bereit. Immerhin sind wir alle hergekommen. Natürlich sind die Ereignisse von

Weitere Kostenlose Bücher