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Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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unterhalte mich nie mit Nachbarn und gehöre keinem Verein an. Das einzige, was man mit sehr viel gutem Willen eine Langzeitbeziehung nennen könnte, ist die zu dem UPS-Mann. Ehrlich, wenn ich die gesellschaftliche Leiter noch ein Stück weiter hinunterfalle, bin ich eine Amöbe.«
    »Es gefällt mir nicht, dass du heute Abend arbeiten willst«, erklärte Bobby, als hätte ich gar nichts gesagt. »Oder nach Einbruch der Dunkelheit joggst.«
    Ich schüttelte den Kopf. Der schlimmste Schock war mittlerweile vorbei, meine Schutzwälle standen wieder. »Ich bin eine erwachsene Frau. Ich verstecke mich nicht mehr.«
    »Annabelle …«
    »Ich weiß, dass du deinen Job machen musst, Bobby. Und du solltest Verständnis dafür haben, dass ich meinen machen werde.«
    Damit war er keineswegs glücklich, aber er unternahm keinen weiteren Versuch, mir mein Vorhaben auszureden. Bella spürte, dass sich die Spannung löste. Sie trottete zu Bobby und stieß schamlos die Nase an seine Handfläche.
    »Ich muss gehen«, sagte er, rührte sich aber nicht von der Stelle.
    »Ach ja, die Besprechung der Sondereinheit wegen der Nachricht.«
    Er schluckte den Köder nicht, deshalb stichelte ich auch nicht weiter. »Ich muss mich auch für die Arbeit zurechtmachen«, sagte ich und hoffte, dass man mir die Müdigkeit nicht anmerkte.
    »Annabelle … Ich kann nicht. Du und ich. Es geht auch um die Berufsehre. Ich kann nicht.«
    »Ich bitte dich auch nicht darum.«
    Er funkelte mich an. »Ich weiß, und das stinkt mir gewaltig.«
    Ich lächelte, und dieses Mal war das Lächeln sanfter, aufrichtig – ein echter Fortschritt. Ich ging zu ihm, legte die Hand an seine Wange, fühlte die Bartstoppeln, die kraftvolle Kinnlinie.
    Es war wie ein Versprechen, und für einen Moment gestattete ich mir den Glauben, dass solche Dinge auch für mich möglich waren. Dass ich eine Zukunft hatte. Dass Annabelle Granger erwachsen geworden war, um eine Chance auf Glück zu haben.
    »Magst du Barbecues?«, flüsterte ich.
    Sein Gesicht verzog sich unter meiner Hand zu einem Lächeln. »Früher war ich als Spezialist für Hamburger bekannt.«
    »Hast du jemals von einem hübschen weißen Lattenzaun, zwei Kindern und einem überaktiven weißen Hund geträumt?«
    »Meine Träume beinhalten im Allgemeinen einen ordentlich ausgebauten Keller, einen Billardtisch und einen Plasma-Fernseher.«
    »Auch nicht schlecht.« Ich zog die Hand weg, bedauerte sofort, dass sich die kalte Realität zwischen uns gedrängt hatte. »Man weiß ja nie«, sagte ich leichthin.
    »Man weiß nie«, bestätigte er.
    Er ging. Bella winselte, als ich die Riegel wieder zuschob.
    Mein Telefon klingelte. Ich nahm ab.
    Eine männliche Stimme flüsterte: »Annabelle.«

25
    Bobby schlängelte sich durch den Bostoner Verkehr nach Roxbury. Er war länger bei Annabelle geblieben als beabsichtigt und hatte mehr getan als beabsichtigt. Verdammt, er hätte sich beinahe wie ein Idiot benommen.
    Aber jetzt, in seinem Auto, war er wieder Herr seiner Sinne und machte sich auf die kalte, harte Realität gefasst. Jemand wusste von dem Medaillon und wollte sich nur mit Sergeant D. D. Warren treffen. Sie sollte – heute Nacht um 3 Uhr 33 – die Kette mit dem Anhänger auf das verlassene Grundstück des Boston State Mental bringen. Jemand spielte mit ihnen. Aber das hieß noch lange nicht, dass die Androhung auf die Konsequenzen nicht real war.
    Er bog mit einer Hand am Lenkrad in die Ruggles Street ein, in der anderen hielt er sein Handy. Er hatte einen Rückruf vom Massachusetts Institute erhalten und kannte jetzt die Adresse von Paul Schuepp, dem früheren Fakultätsleiter für Mathematik. Die Mietagentur, die Annabelles ehemaliges Haus in der Oak Street betreute, hatte sich ebenfalls gemeldet. Noch mehr Menschen, mit denen er sprechen, noch mehr Spuren, die er verfolgen musste. Er tat sein Bestes in den zehn Minuten, die ihm noch blieben, bevor er ins Präsidium kam.
    Die Dämmerung hatte eingesetzt, und die tief hängenden Wolken vermittelten den Eindruck, dass es schon später Abend sei. Fußgänger liefen, unter Regenschirmen versteckt oder in dunkle Mäntel gehüllt, die Gehsteige entlang. Kein Mensch schaute auf, als Bobby durch die Straße raste.
    Endlich tauchte vor ihm ein Ungetüm aus Stahl und Glas auf, das hell erleuchtete Präsidium. Bobby beendete sein Telefonat und bereitete sich auf den Ernstfall vor: Die Parkplatzsuche in Roxbury war keine Kleinigkeit. Bei der ersten Runde waren alle Plätze

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