Kuehles Grab
Anzeigen bei der Polizei war Granger unsichtbar.«
»Sie denken, Russell Granger hat seine eigene Tochter bedroht?«, fragte Rock verblüfft. »Oder dass er die ganze Geschichte erfunden hat?«
Bobby zuckte mit den Schultern. »Nein, ich denke das nicht, Sergeant Warren hingegen …«
»Es wäre die perfekte Tarnung«, warf D. D. ein. »Vielleicht dachte Russell 1982, der Polizei würde die steigende Zahl der Entführungsfälle auffallen. Er meinte, er könne es vermeiden, als Verdächtiger aufzufallen, wenn er sich selbst als Opfer präsentierte. Außerdem war es ein großartiger Vorwand für seine Flucht im Oktober. Denken Sie darüber nach. Sieben vermisste Mädchen zwischen 1979 und 1982 – eines davon, Annabelles beste Freundin, war mit Russell Granger bekannt, und dennoch kam kein einziger Detective auf den Gedanken, nach Granger zu fahnden und ihn zu befragen. Warum? Weil er sich bereits als besorgter Vater gezeigt hatte. Das ist perfekt.«
Sinkus ließ die Mundwinkel hängen. Es war kaum zu übersehen, dass er seinen Mann, Christopher Eola, als Täter sehen wollte.
»Es gibt da ein unbedeutendes Detail«, wandte Bobby ein. »Russell Granger ist tot. Das heißt, egal, was er Anfang der achtziger Jahre getan hat, er ist nicht derjenige, der die Nachricht unter D. D.s Scheibenwischer geklemmt hat.«
»Bist du ganz sicher, dass er tot ist?«, fragte D. D.
»Willst du damit sagen …«
»Sieh dir die Fakten an«, gab D. D. zurück. »Bisher kannst du nicht beweisen, dass es Russell Granger überhaupt gegeben hat. Wie kannst du da so sicher sein, dass er gestorben ist?«
»Um Himmel willen …«
»Hast du eine Sterbeurkunde? Nein, du hast nur die Aussage seiner Tochter, die behauptet, ihr Vater sei von einem Taxi überfahren worden. Verdammt praktisch, wenn du mich fragst.«
»Demnach ist Russell Granger nicht nur ein Serienmörder, sondern seine Tochter auch noch eine Komplizin, die ihn deckt? Das ist doch aus der Luft gegriffen.«
»Ich sage lediglich, dass wir jetzt noch keine voreiligen Schlüsse ziehen dürfen. Zwei Dinge will ich wissen.« D. D. betrachtete ihn kühl. »Erstens, wann kam Russell Granger in diesen Staat? Zweitens, warum hat er sich immer wieder auf- und davongemacht, nachdem er Arlington verlassen hatte? Liefere mir die Antworten darauf, dann reden wir weiter.«
»Erstens«, erwiderte Bobby verschnupft, »ich habe gerade Nachricht vom MIT erhalten und kenne jetzt den Namen von Russells früherem Boss. Ich hoffe, Dr. Schuepp gleich morgen früh zu treffen. Er kann uns helfen, was Grangers Hintergrund angeht. Zweitens, ich überprüfe die Städte, in denen die Grangers gelebt haben, aber bisher war ich zu beschäftigt gewesen, dir nachzuhetzen – da blieb keine Zeit mehr für anderes.«
D. D. lächelte grimmig. »Also gut –«, sie hielt die Kopien von der Nachricht hoch, »– reden wir über das große Ereignis des Abends.«
27
Mein geheimnisvoller Anrufer war Mr. Petracelli. Er war am Telefon um keinen Deut zugänglicher als bei meinem Besuch. Er wollte mich sehen, aber Mrs. Petracelli sollte nichts davon erfahren. Je früher, desto besser.
Meinen echten Namen über eine Telefonleitung zu hören brachte mich schier aus der Fassung. In meiner Wohnung wollte ich Mr. Petracelli nicht haben. Dass er mich über die Nummer, die ich Mrs. Petracelli gegeben hatte, erreichte, ging mir schon zu weit.
Schließlich einigten wir uns darauf, uns um acht Uhr an der Ostseite des Quincy Market in Faneuil Hall zu treffen. Mr. Petracelli grummelte zwar, weil er dazu in die Stadt fahren und einen Parkplatz suchen musste, sagte jedoch zu. Ich hatte eigene Probleme damit – zum Beispiel musste ich meine Schicht im Starbucks so einrichten, dass ich mich zu rechten Zeit davonstehlen konnte –, aber irgendwie würde ich das schon hinbekommen.
Mr. Petracelli legte auf, und ich drückte den Hörer an meine Brust und starrte ins Leere. In siebzehn Minuten sollte ich bei der Arbeit sein. Bella war noch nicht gefüttert, ich musste mich noch umziehen, und ausgepackt hatte ich auch noch nicht.
Als ich mich wieder in Bewegung setzte, legte ich als Erstes den Hörer auf und drückte an meinem Anrufbeantworter auf Start, um die Nachrichten abzuhören. Der erste Anrufer legte ohne ein Wort auf. Der zweite auch. Der dritte war die Kundin, für die ich zurzeit arbeitete; jetzt gefielen ihr die Volants doch nicht mehr, weil sie die tolle neue Fensterdekoration im Haus ihrer Freundin Tiffany gesehen hatte.
Weitere Kostenlose Bücher