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Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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gefeuert. Was spielten da schon ein paar Minuten mehr für eine Rolle?
    »Mr. Petracelli, haben Sie diesen Spanner damals gesehen?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Aber Sie haben geglaubt, dass er existierte, oder? Dass sich jemand in Mrs. Watts' Dachboden eingenistet und mich beobachtet hat?«
    Er musterte mich eigenartig. »Nun, ich glaube nicht, dass Mrs. Watts und dein Vater eine solche Geschichte erfunden haben. Außerdem hat die Polizei einen Schlafsack und andere Dinge in Mrs. Watts' Haus gefunden. Das scheint Tatsache zu sein.«
    »Also haben Sie den Burschen nie wirklich zu Gesicht bekommen?«
    Wieder schüttelte er den Kopf. »Nein, aber zwei Tage nachdem sein Nest auf dem Speicher entdeckt worden war, hatten wir eine Versammlung – alle Nachbarn. Dein Vater hat uns den Täter beschrieben und eine Liste all der Geschenke, die du bekommen hast, sowie eine Zeichnung vom Täter gegeben. Er erklärte, dass die Polizei nicht viel unternehmen könnte. Solange nicht wirklich ein Verbrechen geschah, waren ihnen die Hände gebunden. Natürlich waren wir alle aufgebracht, insbesondere alle Eltern. Wir stimmten dafür, eine Bürgerwache zu organisieren. Bei unserem ersten Treffen verkündete dein Vater, dass ihr für ein paar Tage in Urlaub fahren würdet. Und keiner von uns hat euch je wiedergesehen.«
    »Haben Sie diese Liste und die Personenbeschreibung von dem Spanner vielleicht noch? Klar, es ist lange her, aber …«
    Mr. Petracelli lächelte. »Annabelle, Liebes, ich habe einen dicken Aktenordner, in dem ich jedes Schriftstück aufbewahre. Ich habe diesen Ordner zu jedem Gespräch mit der Polizei mitgenommen, seit mein kleines Mädchen verschwunden ist, und jedes Mal haben die Detectives die Unterlagen beiseite gelegt, aber ich hab alles aufgehoben. Im tiefsten Inneren war ich immer überzeugt, dass Doris Verschwinden etwas mit deinem Fall und dem Verschwinden deiner Familie zu tun hat. Ich konnte das nur niemandem klarmachen.«
    »Könnte ich eine Kopie haben?« Ich kramte bereits in meiner Tasche nach einer Visitenkarte.
    »Ich werde mein Bestes tun.«
    »Mr. Petracelli, Sie sagten, Sie hätten meinen Vater fünf Jahre gekannt. Waren wir schon da, als Sie in die Oak Street gekommen sind, oder war es umgekehrt?«
    »Deine Eltern sind 1977 in das Haus gezogen. Lana und ich wohnten schon seit ihrer Schwangerschaft mit Dori in der Straße. Tage vorher machten Gerüchte die Runde, dass eine Familie mit einer Tochter in Doris Alter unsere neuen Nachbarn sein würden. Lana nahm gerade Plätzchen aus dem Ofen, als der Möbelwagen auf der anderen Straßenseite hielt. Sie marschierte mit einem Teller Plätzchen in der einen und Dori an der anderen Hand sofort zu euch. Seit diesem Nachmittag wart ihr Mädchen unzertrennlich. Wir luden deine Eltern am zweiten Tag zum Essen ein, und damit war die Freundschaft besiegelt.«
    Ich lächelte, um ihn zu weiteren Erinnerungen zu ermutigen. »Ach, tatsächlich? Daran kann ich mich ehrlich nicht mehr erinnern. Wahrscheinlich war ich noch zu klein.«
    »Du warst damals anderthalb oder zwei Jahre alt. Noch unsicher auf den Beinen. Du und Dori, ihr habt Fangen im ganzen Haus gespielt und aus Leibeskräften geschrien vor Vergnügen. Lana beobachtete euch kopfschüttelnd und meinte, es sei ihr ein Rätsel, dass ihr nicht über die eigenen Füße stolpert.« Mr. Petracelli schmunzelte. Kein Wunder, dass er so litt. Im Gegensatz zu dem, was er noch vor wenigen Minuten behauptet hatte, waren seine Erinnerungen an die Vergangenheit überaus lebendig.
    »Wo hat meine Familie vorher gewohnt? Wissen Sie das?«
    »In Philadelphia. Dein Vater war an der Universität von Pennsylvania. Ich habe nie richtig begriffen, was für einen Job Russell hatte. Allerdings hatte er für einen Professor einen ausgezeichneten Geschmack, was Bier betraf, das muss ich schon sagen. Und er war für die Celtics – das genügte mir.«
    »Ich habe auch nie so genau gewusst, was für einen Job er wirklich hat«, erklärte ich. »Mathematik zu unterrichten kam mir immer langweilig vor. Ich weiß noch, dass ich immer so tat, als wäre er beim FBI.«
    Mr. Petracelli lachte. »Russell? Bestimmt nicht. Ich habe nie einen Mann gekannt, der so zimperlich wie er war, wenn es um Schusswaffen ging. Bei der Besprechung der Bürgerwache haben wir darüber diskutiert, ob wir uns zum Schutz ein paar Waffen besorgen wollten. Dein Vater war strikt dagegen. ›Es ist schon schlimm genug, dass so ein Kerl uns Angst macht‹, sagte er.

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