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Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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sie, äh, etwas anderes vor.«
    Martin wartete, aber Bieberstein wollte offenbar nicht sagen, was sie vorgehabt hatte.
    »Herr Bieberstein, am besten sagen Sie jetzt die ganze Wahrheit. Nur so können wir Frau Akiroglu helfen«, sülzte Martin. Mit diesem Gefühlsklimbim ist er ja gut.
    »Ich weiß nicht, ob es richtig ist, darüber zu sprechen. Sibel wollte es lieber noch eine Weile geheim halten.«
    Bei den Worten geheim halten gingen jetzt auch bei Martin die Warnlämpchen an. »Sie ist in Gefahr«, sagte er.
    Bieberstein rutschte wieder auf dem Stuhl herum, dann streckte er sich, als hätte er einen Entschluss gefasst, undsagte in einem Tonfall, den man üblicherweise für die ganz großen Geständnisse reserviert: »Sibel und ich waren am Montagabend hier.«
    »Aha«, sagte Martin.
    Mehr fiel mir dazu auch nicht ein.
    Bülent steuerte ein »Na und?« bei, Niclas gähnte.
    Biebersteins erwartungsvoller Gesichtsausdruck bröckelte, als die offenbar erwartete Reaktion ausblieb.
    »Wir sind jeden Montag- und Mittwochabend hier und unterrichten.«
    »Unterrichten, würg«, sagte Niclas.
    »Unterrichten?«, fragte Martin nach, als Bieberstein wieder schwieg. »Wen?«
    Der Rektor zeigte vage nach oben.
    »Spuck’s aus, Mann«, rief ich.
    »Was ist das hier für eine Einrichtung?«, fragte Martin.
    »Das ist das ehemalige Pfarrhaus. Es ist jetzt ein, also, äh   …«
    »Martin, jetzt zieh es ihm endlich aus der Nase, sonst sitzen wir morgen noch hier«, maulte ich.
    »Was hat er denn bloß?«, murmelte Bülent neben mir. »Er sieht aus, als hätte er die Hausaufgaben nicht gemacht.«
    »Oder eine Stinkbombe geworfen«, ergänzte Niclas.
    »Dies ist ein Kirchenasyl«, sagte Bieberstein plötzlich, als könne er die Worte nicht mehr zurückhalten. »Wir schützen Menschen vor der Abschiebung.«
    »Kirchen-, äh was?«, stammelte Bülent.
    Abschiebung?, dachte ich. Amelie hatte uns doch von einem abgeschobenen Cliquenmitglied erzählt. Marion oder so ähnlich?
    »Was genau bedeutet das?«, fragte Martin. »Wohnen diese Leute hier?«
    Bieberstein atmete tief ein und aus, dann straffte er sich wieder. An dem normal großen Tisch wirkte er plötzlichriesig, vor allem gegenüber Martin, dessen Erscheinung allerdings insgesamt nicht besonders beeindruckend ist.
    »Unser Kirchenasyl ist eins von vielen in Deutschland. Menschen, die von Abschiebung bedroht sind, kommen zu uns, wir nehmen sie auf und setzen uns mit den Behörden in Verbindung, um die Abschiebung zu verhindern.«
    Ich kapierte nur Bahnhof, aber Martin nickte aufmunternd.
    »Die Gemeinde könnte, rein rechtlich, wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt angezeigt werden, aber da humanitäre Hilfe erlaubt ist, sind ähnliche Verfahren im Sande verlaufen. Trotzdem ist die rechtliche Situation nicht ganz sauber, deshalb bleiben viele der Helfer aus der Pfarrgemeinde, die sich hier engagieren, lieber anonym.«
    »Und die Menschen, die hier Zuflucht suchen   …«
    »Sie leben hier unter dem Schutz der Kirche, manche von ihnen monate- oder jahrelang. Sibel hat noch während ihres Referendariats die Abschiebung eines Kindes aus ihrer Klasse miterlebt, seitdem engagiert sie sich hier. Sie ist, auch wegen ihrer Sprachkenntnisse und des Verständnisses für fremde Mentalitäten, eine unserer wichtigsten Helferinnen.«
    »Ist es normal, dass sie als Muslimin in einer evangelischen   …«, fragte Martin, führte die Frage aber nicht zu Ende, da Bieberstein in sich zusammenfiel wie ein angestochener Luftballon.
    »Das ist noch nicht alles«, flüsterte Bieberstein. »Sie hat sich evangelisch taufen lassen. Wir wollen heiraten.«
    »Was?«, rief Bülent. »Ey, Mann, das geht nicht«, wobei ich nicht wusste, ob er die Taufe oder die Hochzeit meinte.
    »Uährg«, machte Niclas. »Der hätte echt ’ne Türkin geheiratet?«
    Martins Handy klingelte, irgendein Notfall im Institut. Seine Verabschiedung von Bieberstein bekam ich nur durchden Heulschleier von Niclas und Bülent mit, die sich gegenseitig anbrüllten, obwohl eigentlich beide derselben Meinung waren, nämlich dass Sibel besser das geblieben wäre, was sie früher war: eine nette unauffällige türkische muslimische Lehrerin.

ACHT
    Freitag, 14   Uhr 05
    Fast hätten wir das Freitagsgebet verpasst, aber Bülent erinnerte mich daran, dass wir uns die Pöbelclique ansehen wollten, die seine Schwester eine Schlampe genannt hatte, und so zischten wir los.
    Die Moschee war ein unscheinbarer Bau im Hinterhof eines

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