Kühlfach betreten verboten
wieder an.
»Ruf Gregor an und frag ihn.«
Endlich hatte ich ihn genug gestört, er hatte den Faden seines Berichts verloren, seufzte und griff nach dem Telefon. Na bitte, geht doch. Hätten wir auch gleich haben können.
»Ich habe gehört, dass ein Verdächtiger in deinem Fall den Vater des Mordopfers angepöbelt hat und jetzt auf dem Bürgersteig vor der Moschee sitzt und heult.«
Gregor ließ sich die Details geben, dankte und legte auf. Ich vermute, dass er lieber nicht nach der Herkunft dieser Information fragte, weil er Angst vor der Antwort hatte. Mir egal – Hauptsache, er ging der Sache nach.
Was er nicht tat. Aber er schickte Jenny. Ich traf gleichzeitig mit ihr vor der Moschee ein und fand Doktor Seiler nach wie vor auf dem Bürgersteig, wo sie ihn zurückgelassen hatten. Ich erkannte ihn am Cordanzug, der allerdings einige hässliche Flecken aus Kotze, Blut und Straßendreck aufwies. Das Gesicht war total verbeult, neben seiner Wange lagen fünf Zähne auf dem Bürgersteig, und der rechte Ärmel des Cordjacketts war ausgerissen. Er war bewusstlos.
Jenny holte den Krankenwagen und Martin, und so landete Tristan nun doch bei ihm. Die zweite schwere Körperverletzung, die Martin in unseren verzwickten Fällen dokumentierte, und zwar mit einem Patienten, der noch weniger mitteilsam war als der erste. Was man diesem hier angesichts seiner Bewusstlosigkeit allerdings kaum vorwerfen konnte. Ich war gespannt auf seine Geschichte. Sofern er sich überhaupt an etwas erinnern konnte.
Martin hatte die Verletzungen fotografiert, den Abdruck eines Ringes vom Wangenknochen genommen, die Zähne gezählt und katalogisiert. Einer fehlte, aber niemand machte sich die Mühe, zur Moschee zurückzugondeln und die Nummer dreiundzwanzig des Zahnschemas im Schneematsch suchen zu gehen. Er packte seine Sachen zusammen, als Gregor eintraf.
»Spricht er?«
Martin schüttelte den Kopf.
»Nie wieder?«
»Doch. Vermutlich lispelt er wegen der riesigen Zahnlücke, aber die Verletzungen sind nach Aussage des Notarztes nicht gefährlich.«
»Aber es war schwere Körperverletzung?«
»Eindeutig.«
»Schön.«
Es klingt für den Laien vielleicht komisch, wenn sich ein Kriminaler über die schwere Körperverletzung freut, wo dem Opfer die harmlosere Variante vermutlich lieber gewesen wäre, aber bei der leichten Körperverletzung muss das Opfer Anzeige erstatten, bevor die Staatsmacht einschreiten darf. Bei schwerer Körperverletzung hingegen darf die Bullerei von sich aus aktiv werden. Angesichts der Undurchsichtigkeit des Falles war Gregor sicher glücklich, einen weiteren Ansatzpunkt für seine Ermittlungen zu haben.
»Hoffentlich ist er bald so weit, denn der Bruder deiner verschwundenen Lehrerin, für den ich eigentlich hergekommen bin, war eine glatte Niete.«
»Er hat mir aber versprochen …«, sagte Martin.
Gregor stieß ein meckerndes Lachen aus. »Tja, dein Patient ist ein Dealer und kein Ehrenmann.«
»Woher …«
»Wenn der Bruder einer Frau, die in einen Mord verwickelt ist, mit einer Schusswunde im Krankenhaus landet,ist wohl eine Überprüfung in unserer Datenbank angebracht. Er hat gesessen – und hatte offenbar keine große Lust, die Bekanntschaft mit der Polizei zu erneuern. Er hat sich verpisst.«
»Das ist nicht schön«, murmelte Martin.
»Das ist ganz übel«, brüllte ich dazwischen. »Rückt ihm zu Hause auf die Pelle. Weit kann er doch mit dem angefressenen Oberschenkel nicht sein.«
»Hm«, brummte Martin, »du kannst ihn doch sicher zu Hause …«
»Ich habe Jenny auf ihn angesetzt. Vielleicht ist er einer netten jungen Frau gegenüber etwas aufgeschlossener.«
Mir fiel die Autonummer ein, die ich mir von dem Schützen gemerkt hatte, also forderte ich Martin auf, sie Gregor zu geben, damit er wenigstens von dieser Seite aus ermitteln konnte. Martin druckste herum wie immer, wenn er eine Information, die er eigentlich nicht haben kann, weitergeben soll.
»Sag ihm, der Dealer hat die Autonummer auf den Unterarm gekritzelt«, rief ich.
Martin wand sich weiter. Das Problem ist, dass er nicht lügen kann.
»Nicht lügen will, im Gegensatz zu dir«, ranzte er mich gedanklich an.
»Wegen deiner Herumzickerei wird die Lehrerin am Ende noch draufgehen. Dann hast du zwar nicht gelogen, aber einen Mord auf dem Gewissen«, gab ich zurück.
»Du, Gregor …«, nuschelte Martin, als habe er einen Riesenlolli im Mund.
»Ja?« Gregor drehte sich an der Tür noch einmal
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