Kühlfach betreten verboten
um.
»Dieser Dealer, der hatte eine Autonummer auf den Unterarm gekritzelt.«
Gregor kniff die Augen zusammen.
»Vielleicht hat das was mit der Schießerei zu tun.«
»Und du hast dir gleich die Nummer gemerkt, als du seine Verletzungen untersucht hast, aber in deinen Bericht hast du sie nicht aufgenommen«, stellte Gregor in einem Ton fest, als habe Martin ihm die Sichtung eines ausgewachsenen Feuerdrachens im Besucherklo des Krankenhauses gebeichtet.
»Na ja …«
»Also, wie ist die Nummer?«
Martin gab sie weiter, ich seufzte erleichtert auf. Endlich wurde mein Beitrag in diesem Fall ernst genommen.
»Ich sehe mal, was sich machen lässt«, sagte Gregor. Er hatte die Nummer nicht notiert, aber die Buchstaben JB und die Ziffern Null-Null-Eins würde er sich ja wohl noch merken können.
Ich sah meine Chance bei Sibels Bruder und düste zu seiner Wohnung. Jenny stand vor der Haustür und hielt den Finger auf die Klingel. Akif stand in seiner Wohnung mit schmerzverzerrtem Gesicht und fummelte im Sicherungskasten herum. Endlich hörte das Schrillen der Haustürglocke auf. Akif seufzte auf, humpelte zurück in die Küche, wo er sich einen erstklassigen Kaffee mit Filterpapier zubereitet hatte, und verklebte das Koffein mit einem halben Paket Zucker. Er füllte die Jauche in einen gesprungenen und mit schwarzen Rändern verzierten Kaffeebecher und humpelte damit zurück ins Wohnzimmer. Der Blick auf den Flatscreen-Fernseher überraschte mich. Hauptdarstellerin des handlungsarmen Filmchens war Jenny, deren Finger wieder die Klingel drückte. Diesmal blieb die schrillende Lärmbelästigung in Akifs Bude allerdings aus.
Der Kerl hatte eine Kamera an der Eingangstür. Das wurde ja immer besser. Ich checkte noch mal schnell den Blickwinkel und düste runter. Jenny verließ gerade frustriert die Stufen vor der Tür. Tatsächlich. Oben rechts inder Verkleidung des Vordachs war eine winzige Kamera. Nicht größer als eine Fliege, und genau so sah das Ding auch aus. Ich würde sagen: Nix Baumarkt, nix Aldi. Hier war echtes Profimaterial verbaut worden. Ich flog zurück in die Gammelbude unterm Dach und erlebte die nächste Überraschung.
Akif hatte inzwischen das Programm gewechselt. Jetzt war der Bildschirm geteilt und zeigte sechs verschiedene Kamerabilder aus sechs Perspektiven. Die Hauptdarsteller waren: die Eingangstür, die Straße vor dem Haus nach rechts und links und die Rückseite des Hauses aus drei Winkeln.
Entweder war Akif ein T V-Junkie oder paranoid oder eine ganz große Nummer in der Drogenszene. Dann war diese abgeranzte Bude ein super Versteck, denn den Drogenpaten von Köln hatte ich mir eher in einer irren Luxusvilla als im westdeutschen Zwilling eines ostdeutschen Plattenbaus vorgestellt. Geile Verkleidung.
Akif beobachtete, wie Jenny in das Auto stieg und losfuhr. Er wählte eine Nummer, brabbelte etwas auf Türkisch hinein und legte auf. Dann erhob er sich mit großer Anstrengung, holte einen Karton aus dem Kühlschrank und stellte ihn auf den Küchentisch. Er öffnete den Deckel.
In dem Karton lag etwas, das aussah wie eine Ecke von einer extra dicken Scheibe Fleischwurst. Es gab eine gerade Schnittkante, die runde Kante bog sich stark nach oben. Die Wurst hatte wohl schon etwas länger in der Fleischertheke gelegen. Erst als ich den Blickwinkel änderte, kapierte ich, dass das keine Fleischwurst war, sondern ein menschliches Ohr. Ein linkes. Ohne den Rest des Menschen daran. Akif betrachtete es sehr intensiv, dann schlich ein fieses Grinsen über sein Gesicht. Er legte den Deckel auf den Karton, packte das Ding in den Kühlschrank und ging pennen. Nur Sekunden nachdem sein Ohr das Kopfkissen berührt hatte, schnarchte er laut und gleichmäßig.
Freitag, 17 Uhr 30
»Sie ist eindeutig an illegalen Drogen gestorben, vermutlich ein Wirkstoff aus der Klasse der ß-Phenylethylamin-Derivate.«
»Häh?«, fragte Gregor.
Katrin lächelte nicht. »Amphetamine.«
Sie hockten zusammen im LAZY und gingen den Obduktionsbericht über Zeynep Kaymaz durch.
»Absichtliche Überdosierung oder ein Unfall?«, fragte Gregor.
»Auf jeden Fall Überdosierung, also kein Zusammenwirken mit anderen Faktoren wie anderen Medikamenten, Herzproblemen oder Ähnlichem. Ob Absicht oder Unfall kann ich dir natürlich nicht sagen.«
»War sie regelmäßige Konsumentin?«
»Auch das kann ich dir noch nicht sagen, aber die Haaranalyse wird uns Auskunft darüber geben.«
»Wann?«
Jetzt seufzte Katrin.
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