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Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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sagte Edi. »Größer als das Auto.«
    Schade. Nicht Akif.
    »Woran kannst du dich sonst noch erinnern?«, fragte ich Edi.
    Sie zuckte unentschlossen die Schultern.
    »Hat er was gesagt? Wie war seine Stimme? Hat er nach Rauch gerochen oder nach Gras? Nach Alkohol oder einem Deo oder   …«
    »Ja«, rief sie. »Er roch nach Kreide.«
     
    Ich überließ die vier sich selbst, und drei zischten sofort zurück zur Uniklinik, während Niclas sich allein verpisste. Ich hatte keine Ahnung, wohin, und es juckte mich auch nicht. Der Typ war sowohl ein Jammerlappen als auch ein Rassist, und wenn er in irgendeine Scheiße rutschen sollte, hatte er sich das selbst zuzuschreiben.
    Ich jedenfalls hatte mir eine lange Kinonacht verdient und genoss sie mit den angesagten Krachbumm-Filmen in vollen Zügen. Erst nach der letzten Spätvorstellung schaute ich noch kurz in der Uniklinik vorbei, fand aber keine Bonsais. Vielleicht glotzten auch sie auf der Kinderstation die Endlosschleife des Kinderkanals und ließen sich regelmäßigvon einem vorlauten Kastengebäck anranzen, dass sie jetzt ins Bett gehen sollten. Der Humor von Kinderfernsehmachern ist schon unterirdisch schräg.
    Schräg war auch der Anblick, den Edis Ma und Jos Pa im Krankenzimmer boten: Sie hatten die Besucherstühle eng nebeneinander an die Rückwand des Zimmers gestellt, sodass sie die Köpfe an die Wand lehnen konnten. Sie schliefen   – Hand in Hand, der Kopf von Edis Mutter an der Schulter von Jos Vater.
    Oho, dachte ich mir, wenn das Jos Mutter sehen würde, läge der Papi demnächst auch im Koma.

NEUN
    Samstag, 07   Uhr 30
    Samstag früh war Martin wieder mal als Erster wach, während Birgit selig weiterpoofte. Er kochte Tee für sich und wartete. Er aß ein Müsli und wartete weiter. Er blickte auf die Uhr und wartete. Er holte Brötchen und wartete. Um halb elf war er halb tot vor Sorge.
    Ich fühlte mich verpflichtet, ihn zu beruhigen. Zumindest, was Birgits Zustand anging.
    »Birgit ist nicht krank«, erklärte ich ihm. »Es ist schlimmer.«
    »Schlimmer?« Seine Stimme kippte vor Panik fast um.
    »Ja, viel schlimmer. Sie ist schwanger.«
    Er erstarrte. Plinkerte einmal kurz mit den Augen. Schluckte.
    »Wirklich?«, hauchte er.
    »Ja«, sagte ich mit Grabesstimme. »Ich sagte ja: schlimmer. Aber man kann das ändern. Ist heute auch nicht mehr gefährlich oder teuer   …«
    Noch während ich sprach, hatte Martin sich erhoben, wankte durch den dunklen Flur, öffnete die Schlafzimmertür, als würde er das Schlafgemach der Königin heimsuchen, schlich zum Bett und kniete sich neben Birgit, die leise vor sich hin schnaufte. Mich hatte er völlig ausgeblendet,dabei hätte ich mit ihm gerne über das weitere Vorgehen in diesem speziellen Fall gesprochen. Soweit ich weiß, kann man da ja auch nicht ewig vor sich hin dümpeln.
    Aber Martin stand wie gebannt neben dem Bett und glotzte, Birgit schnaufte. Er streichelte ihr Haar, sie schnaufte. Er zog ihr die Decke etwas höher, sie prustete und schob die Decke wieder runter. So ging das geschlagene fünf Minuten, dann wachte Birgit endlich auf.
    »Wie geht es dir?«, überfiel Martin sie direkt mit einer Verbalattacke. »Geht es dir gut? Oder ist dir wieder schlecht? Kaffee solltest du natürlich jetzt erst mal nicht trinken. Vielleicht besser Orangensaft? Ach nein, keine Zitrusfrüchte. Apfel- oder Möhrensaft am besten. Haben wir aber gar nicht im Haus. Ich gehe gleich welchen holen, ja?«
    Birgit blinzelte, runzelte die Stirn, lächelte plötzlich strahlend über das ganze Gesicht und flüsterte: »Ich bin schwanger.«
    »Äh   …«
    Jetzt war Martin in Erklärungsnot. Oder doch nicht? Birgit war anscheinend noch so verpennt, dass sie sein Gestammel nicht richtig deuten konnte. Da war er noch mal davongekommen.
    Martin lächelte. »Ja. Wunderbar.«
    Wie bitte? Wunderbar? Waren die beiden total verstrahlt? Hatten sie heimlich Klebstoff geschnüffelt?
    Aber bitte, ihnen fehlte einfach die Erfahrung, die machten nicht das durch, was ich gerade ertragen musste. Stattdessen hingen sie vermutlich der Überzeugung an, Kinder seien so wie in den Werbespots, in denen sie immer glücklich lächelten, selbst wenn sie bis zur Halskrause in der eigenen Scheiße stecken. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert und Rotzlöffel sind nicht so wie im Werbefilm oder auf der Zwiebackpackung. Wenn man Kinder wie Autos probefahren könnte, hätte sich die Menschheit längst erledigt.
    Birgit zog Martin zu sich herunter, aber

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