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Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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wucherte von allen Seiten in Richtung Nase. Vielleicht fiel das auch nur besonders auf, weil ihre Haare von einem absolut abgrundtiefen Schwarz waren. Die Schädelfäden wucherten ihr in die Stirn, über die Schläfen und unter den Ohren nach vorn auf den Unterkiefer. Die Augenbrauen bildeten einen Biotopverbund, wie das bei den Ökos so schön heißt   – will sagen eine lückenlos dichte Hecke über beiden Augen und der Nase. Auch ihre Unterarme, die aus der kurzärmeligen Bluse herausschauten, waren behaart. Über Achseln oder Beine wollte ich lieber nicht spekulieren.
    »Sie ist viel zu alt für dich«, klärte ich Jo auf. »Die ist mindestens sechzehn.«
    »Ich bin frühreif«, murmelte Jo.
    »In dem Alter interessieren sich die Schlampen für Männer, die etliche Jahre älter sind als sie selbst. Älter, Mann, nicht jünger. Und schon gar keine sechs Jahre jünger und einen halben Meter kleiner.«
    Alle Argumente perlten an Jomeo ab. Er hatte sein Herz und damit den Verstand verloren, und ich konnte nur hoffen, dass zumindest der Verstand in absehbarer Zeit wieder zurückkäme, denn ohne Jo würden sich die drei anderen gegenseitig zerfleddern, zerfleischen, zermalmen   – nennen Sie es, wie Sie wollen, es würde schlecht ausgehen.
    Auch Bülent starrte jemanden an, aber in seinem Fall handelte es sich um einen Jungen, der am Ende des Tisches saß und Kringel auf ein Blatt Papier malte. Er hatte kein Buch und kein Hausaufgabenheft vor sich liegen, nur einen Block. Kariert. Recyclinggrau. Darauf kringelte er herum.Den Kopf hatte er auf die linke Hand gestützt, er starrte auf das vor ihm liegende Papier, weshalb sein Gesicht nur halb zu sehen war. Trotzdem kam es mir entfernt bekannt vor. Bülent offenbar auch.
    »Wer ist das?«, fragte ich.
    »Mehmet.«
    Scheiße, natürlich! Der Bruder von Yasemin, den alle Welt suchte. Und hier, im evangelischen Pfarrhaus, hockte der kleine Kameltreiber gemütlich herum und versuchte sich als Kringelkünstler. Wie zum Teufel war der hierhergekommen?
    »Wir müssen seinem Vater Bescheid sagen«, murmelte Bülent.
    »Mehmets Vater?«, fragte ich. »Hast du deinen Turban nicht richtig gewickelt? Der Kerl ist ein Fall für die Bullen.«
    »Nein, keine Polizei! Das ist eine Familiensache.«
    Ich erwartete, dass Bülent mich angrinste und erklärte, das wäre nur ein Scherz gewesen, aber das tat er nicht.
    Gemeinsam starrten wir Mehmet an, und ich überlegte schon, wie ich Gregor hierherlotsen konnte, weil Martin sicher wieder Zicken machen würde, als ich Gedankenfetzen von Bülent empfing. Er fragte sich, ob er selbst auch den Mut hätte, seine Schwester zu killen, wenn er den Auftrag dazu bekäme.
    HALLO?
    »So, Leute, jetzt ist Schluss«, brüllte ich, und die beiden Streithähne Edi und Niclas ebenso wie der schmachtende Jo und der grübelnde Bülent zuckten dermaßen zusammen, dass die Kids am Tisch unter uns eigentlich einen Luftzug wie von einem vorbeirasenden Bugatti hätten spüren müssen.
    »Ihr könnt jetzt tun, was ihr wollt, aber ich gehe zur Kripo. Von mir aus bleibt ihr hier und passt auf, dass Mehmet uns nicht entwischt.«
    »Mehmet?«, fragte Edi überrascht.
    »Der da.« Ich deutete auf ihn. »Behalt ihn im Auge, Edi, ich bin hoffentlich bald zurück.«
     
    Ich ließ die Brut allein und bekam noch mit, wie sie anfingen zu streiten. Ob es um Eifersüchteleien zwischen Edi und Jo oder um die Rechtmäßigkeit des Ehrenmordes von Mehmet an seiner Schwester ging, konnte ich in dem allgemeinen Gebrüll nicht ausmachen, aber es interessierte mich auch nicht. Ich musste Martin finden, und zwar schnell. Leider war das nicht so leicht, wie ich erwartet hatte.
     
    Die Wohnung war leer. Keine schlafende Birgit (dabei hatte sie die letzten Tage doch mehr schlafend als wach verbracht), kein Martin. Hm. Wenn man ihn mal brauchte   … Ich versuchte es an den naheliegenden Orten: Im Park, denn Martin ist ein Verfechter von Spaziergängen an frischer Luft mindestens fünfzehn Minuten am Tag. In dem Café, in dem es neben diversen hippen Kaffeegetränken (für Birgit), geschätzten siebenundzwanzig verschiedenen Bio-Teesorten und selbst gebackenem Vollwertkuchen (Martin) auch achttausend Bücher gibt. Beim Gemüsemetzgerimbiss, dessen Blümchenburger zu Martins Lebensgrundlage gehören. Nirgendwo eine Spur von Martin oder Birgit. Mist. Jetzt wurde es anstrengend. Ich kann, wenn ich mich ganz doll konzentriere, über einige Entfernung den gedanklichen Kontakt halten. Das

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