Kühlfach betreten verboten
mit h schreibt, ist dämlich.«
»Gar nicht wird gar nicht zusammengeschrieben.«
Bülent kicherte wie ein Mädchen. Die beiden hatten Spaß! Mit Rechtschreibung! Unheimlich, oder?
Jo schmachtete immer noch die Nachhilfetante an, und Niclas hing in einer Ecke und döste. Ich machte mich bemerkbar, aber bis auf Niclas interessierten sich die Bonsais nicht für meine Rückkehr. Der Feuermelder allerdings wurde wach und fragte schläfrig, ob jetzt endlich die Bullen kämen, um Mehmet abzuklatschen.
»Die Kripo steht schon vor der Tür«, sagte ich.
»Geil«, erwiderte er, jetzt schon viel wacher. »Und Action!«
Dabei fiel die Action ganz anders aus, als ich erwartet hatte. Aber der Reihe nach.
Gregor klingelte, es entstand wildes Gegacker in der Küche, wo einige Glucken gemeinsam kochten. Auch wenn mindestens die Hälfte der Diskussion nicht auf Deutsch und die andere Hälfte mehr radebrechend vor sich ging, kapierte ich die alles entscheidende Frage: Sollten sie die Tür öffnen oder nicht? Bevor die Schwatztanten sich entschlossen hatten, war ein Knirps neugierig genug, das Treppengeländer hinunterzurutschen und die Tür zu öffnen. Gregor fragte nach Erwachsenen, die Köchinnen kamen aufgeregt angezwitschert und Gregor schickte Jenny vor. Weiber unter sich – Gregor ist halt ein Psychologe.
Jenny bat, mit Mehmet sprechen zu dürfen, die Tanten schnatterten aufgeregt wie eine Schar Gänse am Tag vor Sankt Martin, aber noch ehe sie sich einigen konnten, ob sie einen Mehmet kennen wollten oder nicht und, wenn ja, ob sie das zugeben und ihn dann vielleicht rufen oder doch lieber alles abstreiten sollten, ertönte von oben ein Poltern, ein unterdrückter Fluch, hektische Schritte, das Quietschen eines sich öffnenden Fensters und Kindergeschrei.
Gregor und Jenny drängten sich an den Kopftüchern und Schürzen vorbei und stürmten die Treppe hinauf in den großen Raum mit dem Esstisch. Einige Kinder saßen stumm am Tisch, einige hingen wie ein Schwarm Wespen am Fenster und heulten Rotz und Wasser. Das Fenster stand offen, und in dem Moment, als Gregor und Jenny in den Raum stürmten, konnte man einen schwarzhaarigen Kopf draußen vor dem Fenster nach unten abtauchen sehen.
Jenny zog die Kinder zur Seite, Gregor sprang auf die Fensterbank und aus dem Fenster, was Jenny einen spitzen Schrei entlockte. Ich folgte Gregor und musste einsehen, dass der heldenhafte Sprung ins Nichts nur ein lächerlicher Hopser war, denn direkt unter dem Fenster verlief das Flachdach eines Anbaus, von dessen hinterem Ende die schwarzhaarige Gestalt hinuntersprang. Gregor natürlich hinterher.
Ich überholte Gregor und den Flüchtenden, der ja noch nicht wusste, dass am Hinterausgang des Grundstücks die uniformierte Staatsmacht wartete, und daher noch hoffnungsvoll in Richtung Gartentor rannte. Leichtfüßig und mit heftig hin und her schwingendem Zopf.
Zopf? Endlich kapierte ich, was mich schon die ganze Zeit am Anblick von Yasemins flüchtendem Bruder gestört hatte: Dieser Kerl hier war kein Junge. Es war Jos Angebetete.
»Warum läuft sie weg?«, jammerte dann auch Jo genau neben mir los. Ich verschluckte mich fast vor Schreck, denn ich hatte ihn bisher nicht bemerkt.
»Was ist da oben passiert?«, fragte ich zurück.
»Sie ging an die Zimmertür, als sie hörte, wie die Frauen unten im Hausflur mit Fremden sprachen. Dann ist sie plötzlich losgestürmt, hat sich ihre Jacke übergeworfen, das Fenster aufgerissen und ist rausgesprungen.«
Ich konnte mir die Sache auch nicht erklären, aber das musste der Zwerg ja nicht wissen. Man sollte den Respekt der Jüngeren gegenüber dem Alter nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
»Bleib stehen«, rief Gregor zum wiederholten Male, »ich möchte nur mit dir reden.«
Keine Chance. Das Mädel wurde eher noch schneller – bis sie am Gartentörchen stoppte, als sei sie gegen eine Wand geknallt. Ja, so eine Blaulichtschaukel mit zwei freundlichen Herren in modischem Dunkelblau kann schon ein Schock sein. Ich kannte das Gefühl, auch wenn die Jungs damals noch Grün trugen.
Sie brach zur Seite aus, suchte einen anderen Ausweg, die Kleine hatte echt Stehvermögen. Aufgeben kam ihr offenbar nicht in den Sinn, was mich zu der Überlegung brachte, dass sie vielleicht die Mörderin von Yasemin war, denn um eine derartige Flucht hinzulegen, musste man schon einen ziemlich triftigen Grund haben.
»Sie ist doch keine Mörderin«, brüllte Jo mich an. »Sie hat Angst.«
»Ja,
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