Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
gerade hinter ihm auftauchte
und über seine Schulter auf den Bildschirm blickte. Sie wurde blass.
Katrin und Gregor wissen von meiner Existenz. Das ist eine lange Geschichte, die ich hier nicht wiederholen will. Jedenfalls
haben die beiden sich geschworen, meine Existenz zu ignorieren. Auch gegenüber Martin. Jetzt war Katrin allerdings in einer
schwierigen Situation. Sie glotzte auf den Bildschirm, las die Aufforderung FRAG KATRIN mitten in Martins medizinischem Bericht
und rang offenbar um Fassung.
»Was willst du mich fragen, Martin?«, fragte sie endlich.
Martin hatte ihre Gegenwart noch gar nicht bemerkt und zuckte zusammen. »Nichts, nichts.« Ihm brach der Schweiß aus.
Ich freute mich, endlich direkt mit Katrin kommunizieren zu können. »Was weißt du über Viktor?«, schrieb ich.
»Warum willst du das wissen?«, fragte Katrin. An Martin gewandt. Mann, warum redete sie nicht direkt mit mir? Wenigstens mit
dem Bildschirm. Stattdessen beobachtete sie Martin, der sich auf seinem Stuhl wand wie eine Katze, die man am Schwanz hochhält.
»Ich will gar nichts wissen«, sagte Martin. Er fummelte hektisch an seinem Headset herum, aber man kann das Ding nicht einfach
mit einem Knöpfchen abschalten, sondern muss dem Programm diktieren, dass es sich abschaltensoll. Solange ich aber die Leitung verstopfe, funktioniert das nicht.
»Sag mir alles, was du über ihn weißt, vor allem über Irina«, schrieb ich.
»Irina?«, fragten Martin und Katrin wie aus einem Mund.
»Sie ist die schönste Frau auf der ganzen Welt. Ihre Hupen sind so groß wie deine, aber runder irgendwie. Wie Äpfel. Nicht
so spitz …«
Katrin wurde blass, Martin rot. Er hämmerte auf seiner Tastatur herum, als wäre sie voller Kakerlaken, die er erschlagen müsste.
Das Ergebnis zeigte sich auf seinem Bildschirm etwa so: wqrß094kmmovdpivjwoek3r1m-lövkjaoApiu#fj+q.w,e-pofßj?mv.
»Was, zum Teufel, weißt du über …«, murmelte Katrin.
Martin legte den Kopf in die Hände.
»Alles«, schrieb ich. »Also, was ist nun mit Viktor?«
Katrin holte tief Luft, verschränkte die Arme vor dem Körper und schaute etwas zickig. Trotzdem antwortete sie: »Nichts. Erstaunlich,
oder? Sonst lässt das Sparschwein mich fast den gesamten Verwaltungskram erledigen, aber von diesem Nachtwächter habe ich
kein Sterbenswörtchen gehört oder gelesen. Keine Bewerbungsunterlagen, keinen Arbeitsvertrag, nichts.«
»Und Irina?«, fragte ich, obwohl ich die Hoffnung schon aufgegeben hatte.
»Den Namen hatte ich bis vor ungefähr zehn Sekunden noch nie gehört.«
Das Telefon auf Katrins Schreibtisch klingelte. Sie ging rüber, hörte kurz zu, sagte: »Ja, ich bin gleich da«, und legte auf.
»Schon wieder ein Selbstmörder, der sich vor den Zug geschmissen hat. Das nimmt ja langsam bedrohliche Ausmaße an. Ich geh
dann mal …« Sie blickte unsicher und vage im Raum umher, wohl in der Annahme, michvielleicht doch irgendwo zu entdecken. Wirklich schade, dass wir zwei niemals in den Genuss kommen werden …
Wenigstens begleitete ich Katrin zum Gleis, denn das Ödeste auf der ganzen Welt ist es, Martin dabei zuzusehen, wie er seine
Berichte salbatert. Vor allem, wenn man ihn nicht stören darf – und mein Störpensum für heute hatte ich schon wieder dramatisch
überzogen.
So eine zerfetzte Leiche ist immer eine recht anstrengende Sache. Ein normaler Toter liegt irgendwo am Stück rum, da packen
zwei Kerle an, machen hauruck, stecken ihn in die Horizontalsänfte, und ab geht die Post in den Keller. Einen, der einfach
mal die Seele baumeln lassen wollte, schneidet man vom Dachbalken oder vom Baum oder wo immer er das Seelchen hingehängt hat,
ab – und fertig.
Diese Zugdjangos machen dagegen unheimlich viel Stress. Die Lok ist natürlich ein echter Teilchenbeschleuniger. Das hat jetzt
nichts mit Atomphysik zu tun und auch nicht mit Puddingteilchen, sondern mit Leichenteilen. Wenn so eine Lok mit hundertachtzig
Sachen gegen einen menschlichen Körper knallt, dann fliegt alles getrennt durch die Gegend. Hier ein Kopf (meist geplatzt),
da ein Arm, einzelne Gliedmaßen, Organe, manchmal muss man die Wirbelknochen einzeln aus dem Gebüsch fummeln. Ich gehe immer
gern mit, wenn Martin zu so einem Ort muss, weil ich ja mühelos durchs Brombeergebüsch am Bahndamm düsen kann und ihn immer
wieder zu noch abgehenden Teilen führen kann. Aber mit den Kollegen ist das frustrierend. Ich finde zwar immer wieder
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