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Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten

Titel: Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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sehen.«
    »Dann lassen Sie uns überlegen, wie wir solche Vorkommnisse in Zukunft vermeiden können«, sagte Martin.
    Er redete mit Viktor wie mit einem kleinen Kind, aber das schien den Russen nicht zu stören.
    »Wir legen jetzt fest, dass Sie, auch wenn großer Andrang herrscht, nur jeweils eine einzige Person in den Sektionstrakt hereinlassen.
     Dann erledigen Sie alle Formalitäten mit dieser Person und überwachen die Einlagerung der Leiche. Sie überprüfen zweimal,
     dass die Nummer des Kühlfachs stimmt. Dann erst lassen Sie den nächsten herein. Und wenn jemand ungeduldig wird oder ein großes
     Theater veranstaltet, dann rufen Sie die Polizei. In Ordnung?«
    Viktor nickte eifrig. »Ja, ja, in Ordnung. Ich verspreche,dass das nicht wieder vorkommt. Ab sofort wird alles ganz genau sein. Ich prüfe alles zweimal, ach, dreimal.«
    »Gut.« Martin stand auf und schüttelte Viktor, der schnell auf die kurzen Beine sprang, die Hand. Dann riss Viktor Jochen
     fast die Hand ab, so heftig schüttelte er sie, bevor er sich umdrehte und den Raum verließ.
    »Mann, du hast eine Engelsgeduld, mein Lieber«, sagte Jochen. »Du hättest auch Priester werden können.«
    Ich weiß gar nicht, warum Martin in dem Moment an mich dachte.
     
    »Martin«, rief ich, »mach doch mal das Sprachprogramm   …«
    »Hallo Pascha«, dachte Martin kühl. »Ich habe einen Auftrag für dich.«
    »Bin ich hier der Auftragsdienst, oder was?«, maulte ich. »Ich muss meine E-Mails checken. Vielleicht hat der Verlag ja schon   …«
    »Hat er. Aber du kommst erst wieder an meinen Computer, wenn du mir versprichst, in Zukunft ein Auge auf den Sektionstrakt
     zu haben.«
    »Ja, was denn noch?«, maulte ich. »Es gibt eine Nachtkerze, die dafür bezahlt wird. Soll Viktor sich doch drum kümmern.«
    »Offenbar kann er das ja nicht, wie du gerade mitbekommen hast«, sagte Martin. »Außerdem ist er nur von acht Uhr abends bis
     sechs Uhr morgens hier. Nach Feierabend und bevor die Präparatoren kommen, ist also immer noch jeweils ein bis zwei Stunden
     Zeit, in der niemand dort ist. Und dir kann es doch egal sein, wenn du einfach häufiger mal nach dem Rechten siehst.«
    Mein liebes Medizinerlein litt wohl an einem Laufwerkfehler. »Denkst du, ich habe nichts Besseres zu tun?«, fragte ich in
     korrektem Amtsdeutsch, damit er mir nachhernicht wieder vorwerfen konnte, ich würde dauernd ausfallend. »Auch ich möchte meine Zeit irgendwie interessant gestalten und
     nicht die ganze Zeit in einem gekachelten Raum mit ein paar hinter Edelstahltüren versteckten Stinkern abhängen.«
    Okay, die Stinker sind mir so rausgerutscht.
    »Dann kann ich dir leider nicht helfen«, sagte Martin.
    Na warte, dachte ich, ich bin doch auf deine gnädige Herablassung gar nicht angewiesen. Sobald du das Sprachprogramm einschaltest   …
    Wir waren in seinem Büro angekommen und Martin setzte sich an seinen Computer. Aber er schaltete das Sprachprogramm nicht
     ein, setzte das Headset nicht auf. Er benutzte die Tastatur.
    »Martin«, sagte Jochen verblüfft, als er das Klackern der Tasten hörte. »Seit wann tippst du denn?«
    »Ich wollte es einfach mal wieder ausprobieren, damit meine Finger nicht einrosten«, sagte Martin zu Jochen. Und zu mir: »Ich
     schaffe 180   Anschläge die Minute, wenn ich wieder ein bisschen in Übung bin. Schönen Tag noch, Pascha.«
    Ich umschwirrte ihn eine Stunde lang, konnte aber nichts ausrichten. Martin tippte auf der Tastatur, die per Kabel am Computer
     hing, telefonierte von seinem Festnetzanschluss und hatte sich gedanklich gegen mich abgeschottet. Ich war der einsamste Mensch
     auf der ganzen Welt.
    Zum Trost wollte ich zu Irina, die ich heute Morgen bis zur Uniklinik begleitet hatte, um zu sehen, wo sie arbeitete. Ich
     düste also hin und suchte sie in der Abteilung, in der ich sie heute Vormittag verlassen hatte, aber dort war sie nicht. Um
     es kurz zu machen: Ich fand sie nicht. Martin hatte mich verstoßen, Irina war unerreichbar, und ich bedauerte mich so sehr,
     dass ich vermutlich geheulthätte, wenn ich dazu noch die notwenigen körperlichen Voraussetzungen besessen hätte. Das Leben als Leiche ist kein Zuckerschlecken.
     
    Nachmittags schlich ich zu Martin. »Also gut, was soll ich für dich tun?«, fragte ich kleinlaut.
    Er hatte sich so gründlich eingekapselt, dass ich ihn dreimal fragen musste, bevor er mich überhaupt wahrnahm. Da war ich
     schon wieder sauer.
    »Du sollst einfach gelegentlich oder, besser

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