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Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten

Titel: Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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beugte sich über die Leiche und schloss die Knöpfe.
    Martin starrte ihn an.
    »Da fehlen die, äh, Kissen   …«, flüsterte Martin.
    »Jeder behält irgendein Souvenir von seinen Liebsten«, entgegnete Jochen. »Mancher die Taschenuhr, mancher eine Haarlocke   …«
    »Aber das hier ist   …«
    Jochen kam zurück, schloss die Schublade des Kühlfachs mit Nachdruck und drehte sich, immer noch die Hand an der Tür, zu Martin
     um. »Was immer es ist, ich will nichts damit zu tun haben«, erklärte er jetzt in sehr ernsthaftem Ton. »Ich glaube, Katrin
     weiß schon, warum sie sich verpisst hat. Und ich werde das ähnlich handhaben: Ich mache meine Arbeit, und ansonsten halte
     ich Augen und Ohren fest geschlossen.«
    »Aber wir können doch nicht einfach   …«, murmelte Martin.
    »Doch«, sagte Jochen. »In meinem Dienstvertrag steht nicht, dass ich jede Mietleiche auf Unregelmäßigkeiten untersuchen muss.«
     Er stutzte kurz. »In meinem Dienstvertrag steht überhaupt nichts über Mietleichen. Das Sparschwein will Kühlfächer vermieten,
     bitte schön. Ich nehmedie Leichen an, wenn es sich ergibt, mehr nicht. Ich habe definitiv keine Lust, hinter dem Sparschwein herzulaufen und die
     mentale und sonstige Scheiße aufzuwischen, die ihm aus den Hosenbeinen tropft.«
    Oho, den Spruch würde ich mir merken.
    »So, jetzt lass uns die Obduktion zu Ende bringen, bevor noch eine neue Katastrophe über uns hereinbricht.«
    Martin war so verwirrt, entrüstet, bestürzt, dass seine gedankliche Schutzmauer durchlässig wurde. So konnte ich seine Überlegungen
     verfolgen, die für Jochen nicht gerade erfreulich waren. Ob Jochen das Interesse an seinem Beruf verloren habe, fragte Martin
     sich. Und die Loyalität seinen Kollegen gegenüber. Oder ob er, schlimmer noch, vielleicht selbst mit den seltsamen Vorgängen
     im Institut etwas zu schaffen habe. Mit der gestohlenen Haut? Oder ob er zumindest den Dieb deckte? So wie jetzt hier bei
     den Silikonkissen?
    »Nun mach aber mal einen Punkt«, ermahnte ich Martin. »Nur weil Jochen einen gesunden Selbsterhaltungstrieb   …«
    »Darüber musst du gerade fachsimpeln«, keifte Martin mich gedanklich an.
    Mann, der war ja immer noch auf hundertachtzig.
    »Martin, komm wieder runter. Erstens wird das Leben nicht besser, wenn ihr euch jetzt auch noch untereinander an die Gurgel
     geht, und außerdem habe ich dem Verlag geschrieben   …«
    »Das interessiert mich jetzt nicht.«
    Gut, dann eben später, dachte ich.
    »Ob es mich später interessiert, weiß ich noch nicht.«
    »Ich habe gar nicht mit dir geredet, Martin. Ich lasse dich jetzt ganz in Ruhe, bis dein Blutdruck wieder auf Normalwert gesunken
     ist und wir uns wie zwei vernünftige Menschen unterhalten können.«
    Das machte Martin nur noch stinkiger. »Du wagst es, mit mir zu reden wie mit einem trotzigen Kind?«
    Stimmt, sonst hatte dieser Dialog immer genau andersherum stattgefunden. Ob ein Geist reifer werden kann?
    Martin klinkte sich entnervt aus unserem Gespräch aus. Jochens Strategie schien mir eindeutig die klügere zu sein.
     
    Am Montagabend um acht Uhr erschien Viktor wie üblich mit Strickjacke und Stickzeug zum Dienst. Um neun Uhr kam Irina. Endlich.
     Seit fast zwanzig Stunden hatte ich sie nicht mehr gesehen, und sie schien mir noch schöner geworden zu sein. Sie stellte
     ihrem Großvater die Thermoskanne hin, holte ihre Bücher aus der Tasche und setzte sich zu ihm.
    »Wie war dein Tag, mein Kind?«, fragte Viktor.
    »Gut, Großväterchen. Und deiner?«
    »Danke, gut, wie immer. Ich habe wieder eine Frau aus dem Fernsehen gesehen   …«
    Fernsehen, ja, das wäre auch etwas für Irina. Mit ihrem Aussehen könnte sie Schauspielerin werden. Eine Ärztin spielen, zum
     Beispiel. Oder, wenn sie ihren Job wirklich ernsthaft machen will, könnte sie ja eine Medizinsendung machen. So wie die Richterin,
     die sich auch selbst spielt   …
    Meine gedanklichen Abschweifungen hatten dazu geführt, dass ich ihrem Gespräch nicht mehr gefolgt war, und so stellte ich
     überrascht fest, dass es plötzlich ruhig geworden war. Irina lernte, Viktor stickte. Mist. Jetzt hatte ich nichts über sie
     erfahren. Und nichts über Viktor, der offenbar ein Fernsehpromifetischist war. Und da Martin noch sauer war, hatte er sich
     heute Abend nicht bereit erklärt, die beiden zu besuchen. Im Gegenteil. Er wollte mit Birgit noch eine Wohnung besichtigen
     und hatte mir nicht mal mehr die Gelegenheit gegeben, mit ihm

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