Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten

Titel: Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
Vom Netzwerk:
gesagt, regelmäßig im Sektionstrakt vorbeischauen und sehen, was dort abläuft.«
    »Aha«, sagte ich wenig begeistert.
    »Und außerdem könntest du bitte Ausschau halten nach Asiaten, die eine Tätowierung ähnlich dieser hier tragen.«
    Er holte ein Foto auf den Bildschirm. Darauf war ein Mann zu sehen, der auf einem Gehweg lag. Zusammengekrümmt, eine Hand
     unter dem Körper, die andere weit abgespreizt, ein Bein leicht angezogen, das andere weit ausgestreckt. Er trug nur ein dünnes
     Sport-Netzhemd. Das Hemd war verdreht, sodass die linke Schulter bis zum halben Schulterblatt frei war. Auf der Schulter war
     ein Drache tätowiert, der kein Feuer, sondern chinesische Schriftzeichen spie.
    »Wer ist der Kerl?«, fragte ich.
    »Das ist der Tote mit der Stichwunde, der aus dem Keller entwendet wurde.«
    Entwendet!
    »Woher hast du das Foto?«, fragte ich.
    »Das haben die Kollegen von der Spurensicherung am Fundort aufgenommen. Gregors Kollegin hat es mir freundlicherweise geschickt,
     nachdem ich ihr meine Hilfe bei der Identifizierung angeboten habe.«
    »Für ein Schlitzauge ist der Kerl aber ziemlich fett, oder?«
    »Vielleicht war er Sumo-Ringer?«, schlug Martin vor. »Dann hast du ja schon einen Anhaltspunkt, wo du suchen kannst.«
    Ich konnte mich gerade noch beherrschen und die Bemerkung über nackte Fettwänste, die sich gegenseitig zwischen die eingeölten
     Beine fassen, stumm herunterschlucken.
    »Ich soll also jedem Schlitzauge unters Hemd gucken und außerdem regelmäßig im Keller nachschauen, ob auch alle Leichen schön
     in ihren Betten liegen? Wie der Lehrer im Schullandheim, der aufpasst, dass die Jungs nicht zu den Mädels   …«
    »Genau«, sagte Martin.
    »Warum kümmerst du dich um den Scheiß?«, fragte ich.
    »Weil das Arbeiten in der aktuellen Situation unerträglich ist«, sagte Martin ernsthaft. »Und weil das Institut den Verlust
     einer uns anvertrauten Leiche zu verantworten hat und wir sie deshalb auch wiederbeschaffen sollten«, fügte er eher für sich
     selber hinzu.
    »Okay, ich mach’s«, versprach ich. »Und jetzt lass mich   …«
    »Morgen«, entgegnete Martin. »Erst bist du dran.«
    Damit war ich wieder mal entlassen.
     
    Die Zeit bis neun wurde mir lang, aber endlich kam Irina, brachte ihrem Großväterchen den Tee und fragte, wie sein Tag war.
    »Irina, es ist so schrecklich, aber ich glaube, mir ist eine Verwechslung passiert«, sagte Viktor. Er erzählte ihr die ganze
     Geschichte. Wenn er sich aufregt, wird sein Deutsch dramatisch schlechter, aber ich konnte ihm gerade noch folgen. Irina natürlich
     auch und ihr Gesichtwurde immer besorgter. Zum Schluss blickte sie geradezu entsetzt.
    »Ich war so müde«, sagte Viktor zum Schluss. »Bin auch später wieder eingeschlafen, glaube ich. Aber da war wohl niemand mehr
     hier.«
    Irina atmete tief durch und griff nach seinen Händen, die er die ganze Zeit nervös geknetet hatte. »Zwei Arbeitsstellen sind
     zu viel, Großväterchen«, sagte sie. »Wann willst du schlafen? Die wenigen Stunden zwischen deinen beiden Arbeitsstellen reichen
     nicht. Und wir brauchen das Geld nicht. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich auch ohne das zusätzliche Geld klarkomme.«
    »Aber die Bücher sind teuer und du sollst ja auch ein bisschen was haben vom Leben   …« Viktor brach ab.
    »Ich war von Anfang an gegen diese Arbeit hier.« Viktor nickte unglücklich.
    »Gib diese Arbeit auf, Dedulja, bitte. Mir zuliebe. Du weißt, dass du mit deiner Zahlenschwäche immer wieder in Schwierigkeiten
     kommst.«
    »Von den ganzen Zahlen war ja auch anfangs gar nicht die Rede«, stammelte Viktor. »Sonst   …«
    Das folgende Schweigen war irgendwie peinologisch.
    »Ich werde im nächsten Jahr mit meiner Ausbildung fertig, und spätestens dann verdiene ich genug Geld, dass du ganz aufhören
     kannst zu arbeiten.
    »Nein«, rief Viktor. »Ich will arbeiten. Ich werde nicht auf deine Kosten   …«
    »Ach, was würde ich nur ohne dich tun«, schmeichelte Irina. Sie lächelte Viktor an, aber ihre zusammengezogenen Augenbrauen
     bildeten eine steile Falte auf ihrer Stirn und ihr Lächeln war sorgenvoll.
    »Wenn du möchtest, mach doch jetzt die Augen ein bisschen zu. Ich bin ja hier«, sagte sie. »Und wenn ich gleich gehe, trinkst
     du deinen Tee, der belebt dich.«
     
    Ich begleitete Irina nach Hause, wartete, bis sie selig schlief und düste zurück zu Viktor. Er schlief genauso selig, wenn
     auch unbequemer. Deshalb wachte er

Weitere Kostenlose Bücher