Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
möchte ich selbst als Autor nicht in Erscheinung
treten. Meine Anonymität muss unbedingt gewahrt bleiben, daher wird das Buch unter einem Pseudonym erscheinen müssen. Das
weitere Vorgehen wird von einer Zustimmung Ihrerseits zu diesen Bedingungen abhängen. Vielen Dank für Ihr Verständnis, mit
freundlichen Grüßen …«
Ich zitterte und glühte vor Wut. Kreiselte in wirbelnden Wolken um Martin herum, der so tat, als ob er das nicht bemerkte.
»Soll ich das abschicken?«, fragte er mit aufgesetzter Freundlichkeit.
»Nein«, schrie ich. »Du sollst meinen Namen schreiben. Ich will keine Anonymidings. Ich will kein Psychonym. Ich will meinen
Namen auf der Bestsellerliste sehen.«
Martins Finger glitt zur Entfernen-Taste. »Okay, dann sagen wir dem Verlag ab.«
Ich spürte, wie meine Wutwolke in sich zusammenfiel. Verzweiflung ließ aus den kreiselnden Erregungswellen eine Art schwarzes
Loch werden. »Nein«, heulte ich. »Lie ber mit falschem Namen als gar nicht.«
Martin schickte die Mail ab. Ich konnte seine Gegenwart nicht mehr ertragen und machte mich auf die Suche nach Irina. Vielleicht
konnte sie mich trösten.
Endlich hatte ich mal Glück, nachdem ich in den letzten Tagen vom Pech verfolgt war. Ich fand Irina in der Uniklinik, wo sie
gerade ihren Kittel auszog und ihre Handtasche umhängte. Offenbar hatte sie Feierabend. Dabei war es gerade erst Mittag. Ich
beobachtete mit Argusaugen, wie sie sich von wem verabschiedete. Einer Frau drückte sie ein Küsschen auf die Wange, bei dem
mir ganz heiß wurde und zwei männlichen Kollegen winkte sie zu. Einer warf ihr einen Luftkuss zu, aber sie reagierte zurückhaltend
mit einem Lächeln, das nicht als Ermunterung verstanden werden konnte. Ich war beruhigt. Wer auch immer ihr Russisch quatschender
Late-Night-Telefonjoker war, es war keiner der hier anwesenden Ärzte.
Ich folgte Irina zur Bahn, in die Bahn, erlitt mit ihr die unerträgliche Hitze, die die Luft zum Flirren brachte und alles,
was schlecht roch, aus den Poren der Mitreisenden heraustrieb. Es stank zum Himmel nach Achselschweiß, nach Fußschweiß und
nach Parfüm, und das waren nur die Gerüche, die die Lektorin nicht herausgestrichen hat. Irina stellte sich an ein offenes
Fenster, aber das half auch nicht viel. Sie litt still.
Ich war so auf Irina konzentriert gewesen, dass ich gar nicht bemerkt hatte, in welche Richtung wir unterwegswaren, daher war ich einigermaßen überrascht, als wir uns fast in der Stadtmitte wiederfanden. Hier wohnte sie nicht. War
sie etwa verabredet?
Sie betrat allerdings keine Café-Bar oder Eisdiele, sondern ein unscheinbares Gebäude, in dem sie sich nach rechts wandte.
Die breite Tür stand offen, dahinter saßen jede Menge Menschen in einem Wartezimmer. Irina grüßte freundlich, als sie das
Wartezimmer durchquerte und mit einem lauten Klopfen die Tür im Hintergrund öffnete. Ein großer Praxisraum war mit Vorhängen
in drei einzelne Kabinen unterteilt, im Hintergrund standen mehrere Spinde an der Wand. Ein weißhaariger, geierähnlicher Medikosaurus
im weißen Kittel begleitete eine unglaublich kleine, hutzelige Frau aus einer der abgeteilten Kabinen zur Tür. Die Frau ging
so gebückt, dass man meinen könnte, sie binde sich noch im Gehen die Schuhe zu.
»Irina, wie schön, dass du da bist. Wir haben viel zu tun, wie du siehst.«
Kein Küsschen, nicht einmal ein Händedruck. Gut so.
Irina stellte ihre Handtasche in den äußersten Spind, nahm einen Kittel heraus und einen von diesen Horchlöffeln, die immer
kalt sind, wenn sie auf dem Rücken auftreffen.
Eine derartig beengte Praxis hatte ich nicht mehr gesehen, seit der Kinderarzt, der mich bis zu meinem dreizehnten Lebensjahr
behandelte, seinen Beruf aufgegeben hatte. Bis dahin hatte meine Mutter ihm die Treue gehalten und mich dorthin geschleift,
obwohl ich mich für einen Kinderarzt schon damals viel zu erwachsen fühlte. Selbst mit der Zerrung, die ich mir beim verhassten
Sportunterricht zugezogen hatte, musste ich in dem mit Dinosaurier-Tapeten beklebten Wartezimmer den plärrenden Hosenscheißern
beim Bauklötzestapeln zusehen, während meine Klassenkameraden in solchen Fällen schon längst von ihren Elternins Kreiskrankenhaus gefahren wurden. Der Lehrer, der die Sportunfähigkeitsbescheinigung entgegennahm, hatte natürlich nichts
Besseres zu tun, als laut vor der Klasse zu verkünden, dass ich von meinem Kinderarzt krankgeschrieben
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