Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
einem Bauern erklärt, wie
dieser die Mutter aller Linksfahrer anzureden habe.
Das Sparschwein stand auf, troddelte um seinen Schreibtisch herum, drückte Martin den Umschlag in die Hand, grapschte nach
einem Blatt Papier, das ebenfalls auf dem Tisch lag, nahm einen Kugelschreiber aus der Jacketttasche und hielt Martin das
Blatt und den Stift hin.
»Und hier bitte eine Unterschrift als Quittung, dass Sie die Kündigung erhalten haben.«
Martin malte einen Kringel auf das Blatt, ließ den teuren Stift achtlos liegen und schlich hinaus.
Katrin riss ihm den Umschlag aus der Hand. »Lasssehen.« Sie las mit hektischen Augapfelbewegungen und wurde immer blasser. »Du bist fristlos gekündigt und hast ab sofort
Hausverbot!«, rief sie. »Sag mal, was geht hier eigentlich vor?«
Martin zuckte die Schultern, während er die persönlichen Dinge aus seinem Schreibtisch räumte. Fünf Päckchen ungebleichte,
nicht parfümierte Papiertaschentücher aus Sägemehlabfällen, eine Tüte Bio-Salbei-Lutschbonbons mit Bio-Honig, eine Tüte Bio-Vitaminbonbons,
ein Zahnpflege-Bio-Kaugummi, zehn Mini-Bio-Getränkekartons mit Bio-Apfelsaft von heimischen Bio-Streuobstwiesen und ein Foto
von Birgit, das auf seinem Schreibtisch stand.
»Das kannst du doch nicht einfach so mit dir machen lassen«, rief Katrin. »Geh zum Betriebsrat, zur Gewerkschaft, zur Polizei,
was weiß ich. Aber lass mich nicht allein!«
Sie hatte Tränen in den Augen.
Martin zuckte die Schultern. »Mach’s gut.« Und weg war er.
Er zockelte in seiner Ente nach Hause, fand einen Parkplatz und kam auf dem Weg zu seiner Wohnung an der Eckkneipe vorbei.
Saskia saß auf der Bank vor der Kneipe und schlürfte geräuschvoll einen bunten Cocktail. Sie begrüßte Martin mit schriller
Stimme und großer Begeisterung. »Setz dich doch zu mir, du siehst aus, als könntest du eine Pause vertragen.«
Martin setzte sich willenlos.
»Was trinkst du?«, fragte sie.
Martin blickte auf ihren bunten Drink und zeigte mit dem Finger darauf. »So einen.«
Vermutlich hielt er das Getränk für eine gesunde Mischung aus Orangensaft und Kirschsaft. Der Drink kam, Martin nahm einen
tiefen Zug aus dem Strohhalm und fing an zu husten, zu würgen, lief rot an, röchelte leise undnahm den nächsten Schluck. Den vertrug er schon besser. Fünfzig Minuten später war Martin blau wie ein Kirchenfenster von
Chagall. (Den ursprünglichen Vergleich durfte ich nicht stehen lassen, also habe ich mir das abgefahrenste Blau aus dem Internet
gesucht, das ich finden konnte. Das hat sie jetzt davon, die Lektorin.)
Als Birgit ihn endlich fand, lehnte Martin mit seligem Lächeln an Saskias neuem Busen. Birgit blickte entsetzt, ungläubig
und besorgt auf das Bild, das sich ihr bot. Saskia mit nach hinten gelehntem Kopf und offenem Mund, aus dem es lauthals schnarchte,
und Martins Nase an ihrem Busen, seine Hand auf ihrem Bauch. Ich hätte Birgit die Situation gern erklärt, aber das ging ja
leider nicht. So konnte ich nur untätig zusehen, wie die Tragödie ihren Lauf nahm.
»Martin«, rief Birgit und rüttelte ihn leicht an der Schulter. Martins Hand glitt tiefer. Birgit nahm sie mit zwei Fingern
aus Saskias Schoß und zog daran. Martin rutschte in einem Schwupps von der Bank.
Die plötzliche Gewichtsverlagerung brachte selbst Saskia kurzzeitig zu sich.
»Es ist nicht so, wie du denkst«, sagte sie zu Birgit. »Er liebt eine andere.«
Birgit drehte den Kopf weg, um von Saskias Cocktailatem nicht gleich selbst einen Schwips zu bekommen, und nickte.
Der tief gesunkene Martin kam gerade einigermaßen zu sich, wenigstens so viel, dass er »Liebelein?« stammeln konnte.
Birgit lächelte bei dem Kosenamen irritiert, sicher hatte sie das Kölner Allerweltswort noch nie aus seinem Mund gehört.
»Martin!«, rief sie. »Was ist denn los mit dir?« Birgit schüttelte ihn, zog an seinem Arm, ging zur Theke, kammit einem Glas Eiswasser zurück und schüttete es über Martins Kopf. Mit lautem Prusten und Stöhnen kam Martin zu sich.
»Das ist los«, sagte Martin und griff in seine Hosentasche. Er holte mehrere gefaltete und zerknüllte Zettel heraus. Die Kündigung
und … Ach du liebes Jesulein!
Es waren meine Gedichte über Irina, die Birgit in die Hand bekam. Sie las sie, wurde erst blass, dann rot vor Wut und dann
fing sie an zu schreien.
»Ist das die Schlampe, mit der du am Samstag im Museum warst, während ich versuchte, eine Wohnung für uns zu
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