Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
Nase.
Gregor lachte böse. »Angezeigt? Sie sind ja lustig. Die Staatsanwaltschaft erwägt juristische Schritte gegen Sie und Sie erstatten
eine Anzeige?«
Das Sparschwein zupfte wieder an den Manschetten, jetzt etwas hektischer. »Schritte?«
Gregor lehnte sich vor. »Sie haben eine Beweismittelsicherungspflicht, die Sie offenbar sträflich vernachlässigt haben.«
»Sträflich?« Zupf, zupf, zupf.
»Ja, das steht unter Strafe, Herr Forch. Also, fangen wir doch noch einmal von vorn an. Ich benötige eine vollständige Aufstellung
jedes Ein- und Ausgangs in den letzten vier Wochen. Jede Leiche mit komplettem Namen, Aktenzeichen, mit dem Vermerk, ob es
eine staatsanwaltliche Leiche, eine privatrechtliche zur Untersuchung von Versicherungsfällen oder Kunstfehlern oder sonst
was war, und natürlich eine genaue Auflistung der Lagerleichen. Bitte innerhalb der nächsten halben Stunde per Mail an mich.«
»Ich werde sofort einen Mitarbeiter …«
»Gern. Aber Herrn Gänsewein und Frau Zang muss ich Ihnen kurz entführen, auf die werden Sie in den nächsten zwei Stunden nicht
zurückgreifen können.«
Zupf, zupf. »Was heißt das? Entführen? Befragungen werden nur in meinem Beisein …«
»Nein, Herr Forch, Befragungen werden definitiv nur OHNE Ihr Beisein durchgeführt. Und damit das auch ganz bestimmt so ist,
werde ich die beiden mit auf das Präsidium nehmen. Dort können wir die Aussagen auch gleich zu Protokoll nehmen, das beschleunigt
die Angelegenheit. Guten Tag.«
Ich lachte immer noch, als ich bei Martin und Katrin im Büro ankam. »Ein Ausflug, ein Ausflug«, trällerte ich.
»Ausflug?«, fragte Martin halblaut.
Katrin blickte ihn überrascht an. »Was? Ein Ausflug? Wohin?«
»Zur Eisdiele«, antwortete Gregor grinsend von der Tür. »Zack, zack. Befehl der Staatsmacht.«
Martin zierte sich natürlich, weil er so viel Arbeit hatte und doch nicht einfach so mitten am Tag blaumachen …
»Nix blaumachen«, unterbrach Gregor ihn. »Los, komm.«
In Gregors Dienstwagen ging es erst zu einer Eisdiele in der Nähe des Präsidiums, dann in Gregors Büro.
»Was soll diese Aktion?«, fragte Katrin. Sie hatte einen Klecks Sahne an der Nasenspitze und einen Tropfen Schokoladeneis
am unteren Ende ihrer Waffel, den Gregor mit offenem Mund anstarrte. Ich glaube, er und ich träumten gerade dasselbe. Von
einem fallenden Tropfen auf feuchte Haut …
»Vermutlich bekomme ich jetzt die dritte Abmahnung und dann die Kündigung gleich mit«, jammerte Martin.
Gregor kehrte in die Realität zurück. »Quatsch. Also, zur Sache.«
Martin und Katrin setzten sich etwas aufrechter hin.
»Mir ist die undankbare Aufgabe zugefallen, euer Leichenkuddelmuddel in klar erkennbare Einzelfälle aufzuteilen, weil hier
im Präsidium inzwischen überhaupt keiner mehr durchblickt, womit wir es eigentlich genau zu tun haben.«
Kollektives Nicken auf der Bank der Rechtsmedizin.
»Also los.«
Ich hörte mir das erneute Aufzählen der diversen Katastrophen nicht zum x-ten Mal an, sondern machte mich auf die Suche nach
Irina. Natürlich war es schon wieder so spät, dass sie entweder im Krankenhaus oder in dieser Praxis sein musste, aber meine
Sehnsucht nach ihr war stärker als meine Abneigung gegen derartige Siechentempel, und so düste ich durch lange Flure, bis
ich sie endlich fand. In einem Operationssaal. Sie nähte gerade einen Bauch zu, der wohl eher einem Wal als einem Menschen
gehörte, aber da der Rest des Fleischbergs mit grünen Tüchern zugedeckt war, ließ sich das nicht so genau feststellen. Irinas
Naht jedenfalls war schön. Viel schöner als die Naht, mit der Martin den riesigen Schnitt auf meinem Bauch damals nach der
Obduktion zugenäht hatte. Und ich vermutete mal, dass in dem Wal auch die Organe wieder ziemlich ordentlich an ihrem Platz
lagen. Nicht so wie bei mir. Da war es ja egal, wohin die Organe gestopft werden, Hauptsache rein in die Leiche. Da kann die
Leber zwischen Lunge und Herz rumliegen, das stört keinen mehr. Es darf nur nichts übrig bleiben.
Als ich zum Präsidium zurückkam, waren Martin und Katrin schon weg, Gregor studierte die offenbar inzwischen eingetroffene
Liste der Leichenein- und -ausgänge und machte sich jede Menge Notizen. Endsöde.
Ich zischte Richtung Keller.
Dort fand ich Martin und Katrin in heller Aufregung.
»Die hier auch«, sagte Katrin und schob ein Kühlfach schwungvoll zu. Dann machte sie ein Zeichen hinter
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