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Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten

Titel: Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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Seite gewichen, seit er auf die lächerliche Idee verfallen
     war, Viktor handele mit Hornhäuten. Viktor,der Großvater meiner Irina, war doch kein Menschenschlächter.
    »Menschenschlächter müsste er gar nicht sein«, hatte Martin mich korrigiert. »Die Leute kommen ja schon tot hier an.«
    »Und die beiden Leichen, die geklaut worden sind?«, hatte ich gefragt. »Die hat er im Stück verkloppt?«
    »Du selbst erklärst ständig, dass das andere Täter waren. Der Tätowierte ist dem Hautfetischisten in die Finger geraten und
     der Araber   …«
    »Den hat Mohammed persönlich vom Obduktionstisch gerettet.«
    Martins Gedanken bildeten plötzlich einen noch undeutlichen, aber nichtsdestotrotz unschönen Zusammenhang zwischen dem Diebstahl
     von Augen zur Hornhautverpflanzung und dem Diebstahl einer kompletten, noch ganz frischen Leiche eines gesunden Mannes – und
     der Liste, die er Gregor gerade in die Hand gegeben hatte.
    Gregor las die einzelnen Positionen der Liste leise murmelnd vor. »Zwei Nieren, Leber, Herz, Herzklappen, Lungen, Knochen,
     Sehnen   …« Sein Blick schwankte zwischen Zweifel und Ekel, dann fuhr sein Finger die Liste entlang und Gregor addierte schnell im
     Kopf die Zahlen. »Zwei hundertfünfzigtausend Euro? Wow!«
    Martin nickte. »Es sind nur Schätzungen, aber da Spenderorgane knapp sind, ist der illegale Organhandel ein florierendes Geschäft.«
    »Aber doch nur in Brasilien, Indien, China   …«, sagte Gregor.
    Martin zuckte die Schultern. »Sicher?«
     
    Gregor blieb allein zurück, Martin schunkelte mit seinem Entlein wieder in sein Büro. Katrin erwartete ihn bereits mit blassem
     Gesicht. Sie sprang auf und umarmte ihn.
    »Der Chef will dich sehen«, flüsterte sie. »Sofort.«
    Martin stand stocksteif. »Was ist los?«
    Katrin flüsterte mit belegter Stimme: »Die dritte Abmahnung   …«
    Martin wandte sich um und ging wie ein Roboter zum Büro des Chefs, meldete sich an, musste zwei Minuten warten, während derer
     Frau Blaustein den Blick tief gesenkt hielt, und wurde dann ins Rechenzentrum vorgelassen. Die Atmosphäre war eisig. In jeder
     Hinsicht.
    »Herr Gänsewein, ich habe Sie ja bereits mehrfach gemahnt, was offenbar bei Ihnen keinerlei Eindruck hinterlassen hat. Zu
     den bekannten Gründen habe ich eine weitere Rüge hinzugefügt. Offenbar benutzen Sie, neben den bereits besprochenen E-Mails an einen Verlag, Institutseigentum zu persönlichen Zwecken. Hier, diese Dateien habe ich im System gefunden.«
    Er warf Martin zwei DIN-A 4-Blätter hin, auf denen meine Gedichte ausgedruckt waren. Wo hatte er die her? Durchforstete der Typ jede Computerdatei wie ein Trüffelschwein
     den Wald? Und welche Art von Trüffeln hatte er zu finden gehofft? Jedenfalls war es mir gar nicht recht, dass das Sparschwein
     meine private Poesie hier mit seinen manikürten Fingern begriffelte. Und jetzt nahm Martin die Blätter, faltete sie nachlässig
     zusammen und steckte sie einfach in seine Hosentasche.
    »Die gehören dir nicht«, rief ich, aber Martin reagierte nicht.
    »Ich betrachte die nicht genehmigte Nutzung von Institutseigentum während der Arbeitszeit als Betrug. Daher überreiche ich
     Ihnen hiermit Ihre Kündigung.«
    Er nahm einen verschlossenen Briefumschlag, der auf seinem Schreibtisch gelegen hatte, und hielt ihn Martin nachlässig hin.
     Der musste sich recken, um den Umschlag zu fassen.
    »Nun streck dich doch nicht noch danach wie eine Leguanzunge nach der Fliege«, maulte ich. »Wenn das Arsch dir die Kündigung
     geben will, ist es wohl nicht zu viel verlangt, dass er sich selbst ein bisschen Mühe gibt.«
    Martin war offenbar in einem Zustand vollkommener Willenlosigkeit, denn er erstarrte mitten in der Bewegung – mit nach vorn
     gerecktem Arm und nach hinten gerecktem Hintern, der die Balance hielt. Dann ließ er sich, ohne den Brief zu nehmen, in seinen
     Stuhl sinken. Das Sparschwein starrte ihn fassungslos an.
    »Herr Gänsewein, Ihre Kündigung«, sagte er und wedelte leicht mit dem Papier.
    »Doktor Gänsewein«, flüsterte ich.
    »Doktor Gänsewein«, sagte Martin.
    Das Sparschwein entwickelte eine dem Namen angemessene rosige Gesichtsfarbe. »Wie bitte?«
    »Nur unter promovierten Kollegen lässt man den Titel weg«, erklärte Martin leidenschaftslos. »Da Sie nicht dazugehören, wird
     von Ihnen erwartet, dass Sie den Namen mit dem Titel nennen.«
    Er klang wie ein leicht blasierter und sehr gelangweilter Zeremonienmeister am Hof der Queen, der

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