Künstlerpech: Palzkis achter Fall
uns ist es auch nicht anders. Zumindest bei mir ist es so. Mein Mann liegt nur noch faul auf der Couch rum, seit er frühpensioniert ist. Nicht einmal zum Einkaufen kann ich ihn schicken. Im Haushalt ist er auch keine Hilfe. Letzte Woche war der Staubsaugerbeutel voll. Was macht mein Mann? Der ruft den Kundendienst an, damit der den Beutel leert. Dann habe ich versucht, meinen Mann auf Diät zu setzen, der wird ja um den Bauch herum immer dicker, seit er nur noch rumliegt und fernsieht. Ich habe ihm sogar ein Gemüsebeet angelegt, damit er mal was zu tun hat. Am ersten Abend hat er noch freiwillig das Beet gegossen. Am nächsten Morgen war alles voller Schlamm. Angeblich aus Versehen hätte er vergessen, den Wasserhahn abzudrehen. Ich sage Ihnen was, Herr Palzki: Mit Absicht hat er das gemacht. Ich weiß auch nicht, was ich mit meinem Mann noch tun soll. Aber ich brauche ihn ja, weil er die Rente bekommt und mich damit absichert.«
»Kaufen Sie ihm eine Kuh«, schrie ich gegen die Druckschallwellen an. Damit brachte ich die Wortschleuder aus dem Konzept. »Wieso Kuh?«, fragte sie mit ihrem vermutlich kürzesten Satz seit Jahrzehnten.
»Dann hat Ihr Mann Bewegung, wenn er die Kuh Gassi führt.«
Während Frau Ackermann darüber nachdachte, stieg ich in meinen Wagen und fuhr los. Eine Kuh in der Nachbarschaft wäre eigentlich eine gute Sache. Ich könnte sie mir ab und an ausleihen und würde so das Rasenmähen sparen und gleichzeitig ein bisschen Milch für die Kinder schnorren, falls die Kuh bereits gekalbt hatte. Beim Nachdenken über weitere Verwendungsmöglichkeiten produzierte ich im Unterbewusstsein Magensäure.
Ohne KPD über die Füße zu stolpern, gelang es mir, Juttas Büro zu erreichen. Hier erwartete mich die dritte Überraschung des Tages oder war es bereits die vierte? Neben Gerhard und Jutta saß Dietmar Becker am Besprechungstisch.
Ich nickte meinen Kollegen zu und fragte den Studenten scheinheilig: »Wo waren Sie gestern? Sollte es was Spannenderes gegeben haben als unsere Verfolgungsjagd im Capitol? Wurde vielleicht sogar jemand ermordet, während Herr Steinbeißer und ich in Mannheim waren? Sie sind doch immer an vorderster Front, wenn es Tote gibt.«
Becker war ungewöhnlich einsilbig. »Ich hatte leider keine Zeit.«
»Soll das heißen, Sie geben endlich das Schreiben dieser verkorksten und unrealistischen Krimis auf? Das wäre mal eine gute Nachricht und eine Wohltat für die Bürger der Kurpfalz.«
Jutta schob mir eine Tasse Kaffee hin, die glücklicherweise nicht nach Sekundentod aussah. »Ich glaube, du bist auf dem falschen Dampfer, Reiner. Herr Becker hatte aus einem anderen Grund keine Zeit.«
Der Archäologiestudent nickte ihr dankend zu. »Ich weiß mir nicht mehr zu helfen. Sie sind meine letzte Zufluchtsstätte. Den ganzen Mittag musste ich gestern mit Ihrem Chef in der Nähe des Gräberfeldes den aufgeweichten Acker durchharken. ›Wir sind einem großen Ding auf der Spur‹ wiederholte er ständig, und dass ich die Exklusivrechte für die Story bekomme und diese dem Stern und dem Spiegel verkaufen könne, wenn ich ihn gebührend erwähne. Ich musste sogar Fotos von ihm machen, wie er auf dem Boden kniete und eine Wurzel aus dem Acker herauszog. Peinlich, sage ich Ihnen.«
»Selbst schuld«, beschied ich ihn. »Sie sind kein offizieller Untergebener von KPD. Er ist Ihnen gegenüber nicht weisungsbefugt. Gehen Sie doch einfach heim und lesen ein gutes Buch. ›Sofies Welt‹ kann ich Ihnen wärmstens empfehlen, man lernt sehr viel über sich selbst. Wenn Sie das gelesen haben, wissen Sie nicht mehr, ob Sie tatsächlich leben oder nur eine Romanfigur in einem Buch sind.«
»Das kann ich nicht, Herr Palzki.«
»Sind Sie Analphabet?«, fragte ich überrascht. »Das würde einiges erklären.«
»Ach was, ich meine doch nicht das Lesen. Wenn ich Diefenbach brüskiere, bekomme ich nie wieder von ihm Informationen aus erster Hand. Jetzt, wo ich soweit bin, dass er mich wie seinen persönlichen Polizeireporter behandelt, kann ich diesen Kontakt nicht einfach abbrechen. Ich denke strategisch, Herr Palzki. Nur das dazu notwendige Taktieren fällt mir schwer. Das liegt aber ausschließlich an dem seltsamen Gebaren Ihres Chefs.«
Ich versuchte, ihn zu trösten. »Es kommen auch mal wieder bessere Zeiten.«
Im gleichen Moment trat Diefenbach, der meinen letzten Satz gehört haben musste, durch den Türrahmen.
»Guten Morgen, Mannschaft, die besseren Zeiten kommen.«
Da er nicht
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