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Küss den Wolf

Küss den Wolf

Titel: Küss den Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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gerade antworten, da drehte sich der Schlüssel im Schloss – Verena. Als sie sah, dass ich telefonierte, wurde sie blass und starrte mich mit vor Schreck geweiteten Augen an: »Ist das Doktor Ruhland?«, fragte sie und ich schüttelte den Kopf. Meine Lippen formten das Wort Papa, was Verena offenbar noch mehr aus der Fassung brachte, denn sie hastete sofort in ihr Zimmer. Dieser kurze Moment genügte, um mir klarzumachen, dass es besser wäre, das Telefonat zu beenden. Daher sagte ich: »Du, ich muss jetzt auflegen. Aber ich melde mich bei dir, sobald es etwas Neues von Oma gibt. Grüß bitte Jean und Marlène von mir.« Ob Verena an der Tür stand, um das Telefonat zu belauschen? Früher hatte sie das manchmal getan. »Das mach ich gern, sie lassen dich auch grüßen und freuen sich schon darauf, wenn du im Sommer wiederkommst. Du… du kommst doch, oder?«, fragte Jacques beinahe ängstlich. Ich antwortete mit fester Stimme: »Aber klar!«, obwohl ich mir selbst nicht ganz so sicher war.
    Bevor ich nicht genau wusste, dass Theodora wieder ganz gesund war, würde ich garantiert nirgendwohin fahren.

22.
    Mittwoch, 20. April
    Ich schlug die Daunendecke beiseite und gab Martini einen zärtlichen Stups auf die Nase, dann sprang ich aus dem Bett und öffnete das Fenster. Nach fünf verregneten Tagen, an denen die Luft nach Herbstlaub geduftet hatte, schien jetzt endlich die Frühjahrssonne durch die Bäume. »Theodora geht es wieder besser«, summte ich fröhlich. Auch Verena war die Erleichterung deutlich anzusehen, als wir uns in der Küche trafen, um gemeinsam zu frühstücken, bevor ich zur Schule musste. »Was hat dein Vater eigentlich neulich gewollt?«, stellte sie endlich die Frage, die ihr seit meinem Telefonat auf der Zunge gelegen hatte. Ich überlegte kurz, bevor ich antwortete, und entschied mich schließlich für die harmlose Variante: »Er wollte wissen, wann genau ich in den Sommerferien komme.«
    Verena antwortete: »Aha«, und trank einen Schluck Kaffee.
    Dieses Aha klang ähnlich wie mein Okaaaaay und hatte wahrscheinlich auch ungefähr die gleiche Bedeutung.
    Aber jetzt war es höchste Zeit, zur Schule zu fahren, daher gab ich ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange, streichelte Martini, die gerade genüsslich ihre Milch schlabberte, und rief im Hinausgehen: »Ich wünsche euch beiden einen schönen Tag.«
    Als ich mich auf mein Rad geschwungen hatte, schallte mir plötzlich ein fröhliches »Guten Morgen, Pippa« entgegen. Es war Marc, der gerade um die Ecke gebogen war. Ich grüßte zurück und wir fuhren eine Weile wortlos nebeneinanderher. Da ich immer noch nicht wusste, was ich von ihm halten sollte, beschloss ich, einfach gar nichts zu sagen.
    »Na, wie geht’s dir? Warst du in der letzten Zeit mal wieder im Kino?«, fragte Marc und ich ertappte mich dabei, wie ich auf seine muskulösen, leicht gebräunten Unterarme starrte. »Hab ich nicht geschafft. Meine Großmutter ist schwer krank und ich war seit letztem Freitag beinahe nonstop im Krankenhaus.« Marc bremste so abrupt, dass ich beinahe in ihn hineingekracht wäre.
    Ich hielt neben ihm an. »Das tut mir aber leid«, sagte er, während sonnige Lichtpunkte auf seinen weizenblonden Haaren tanzten. »Geht es ihr denn jetzt wieder besser?«
    »Zum Glück ja. Aber sie muss noch eine Weile in der Klinik bleiben, danach eine Reha machen und sich danach erst mal schonen. Ich werde ihr in nächster Zeit ein wenig unter die Arme greifen, weil sie einen großen Garten hat, der viel Arbeit macht.«
    »Du hängst sehr an ihr, oder?«, fragte Marc und sah mich intensiv an. Wir standen immer noch mitten auf dem Radweg. Die ersten Radfahrer fingen an zu klingeln und riefen genervt: »Hey, seid ihr noch ganz dicht? Das ist keine Raststätte!«
    »Ja, ich liebe sie über alles«, antwortete ich und trat dann wieder in die Pedale, schließlich hatte ich nicht vor, hier Wurzeln zu schlagen.
    »Sag einfach Bescheid, wenn du es nicht schaffen solltest, weiter Filmrezensionen zu schreiben, dann delegiere ich deinen Bereich an jemand anderen«, sagte Marc, als er mich wieder eingeholt hatte. Im ersten Moment dachte ich: Mann, ist der einfühlsam, wer hätte das gedacht? Im zweiten: Der will mich loswerden! Und nun hatte ich ihm, ohne es zu wollen, die perfekte Möglichkeit dazu geliefert…
    »Wie schön, dass ihr mich besuchen kommt«, freute sich Theodora, als ich zusammen mit Leo das Krankenzimmer betrat, das mit traumhaften Blumensträußen dekoriert war.

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