Küss den Wolf
dem Weg der Genesung und schmiedete Reisepläne – und auch Katharina Flurer zeigte keinerlei Anstalten, das zu tun, was er wollte.
Sollte er zu härteren Mitteln greifen?
Allmählich lief ihm die Zeit davon…
Sein eigentlicher Riesencoup stand zwar noch bevor, aber er hätte sich besser gefühlt, wenn auch die anderen Dinge unter Dach und Fach gewesen wären.
Wie hatte John Lennon doch so schön gesagt?
»Life is what happens, while you’re busy making other plans.«
Er lachte zynisch.
Wie recht John Lennon doch gehabt hatte.
Während er und Yoko Ono den Erfolg ihres Albums Double Fantasy genießen wollten, hatte ein geistig Verwirrter namens Mark David Chapman ganz, ganz andere Pläne.
Am 8. Dezember um 22 Uhr 50 erschoss er John Lennon vor dem Dakota Building in New York.
Ob Chapman geplant hatte, die Folgen seiner Tat im Gefängnis zu verbüßen? Wohl kaum.
Das war natürlich das Risiko, das alle eingingen, die gegen das Gesetz verstießen.
Natürlich nur, wenn sie sich erwischen ließen.
Also war es wichtig, alle Spuren sorgsam zu verwischen und besonders gut aufzupassen…
30.
Sonntag, 25. April
Pfeifend radelte ich die Strecke von der Bahn-Haltestelle zu Theodoras Haus. Für einen Sonntag war ich ungewöhnlich früh aufgestanden, nämlich um sieben Uhr. »Bist du krank?«, hatte Verena verwirrt gemurmelt, als ich aus dem Bad gekommen war und sie auf dem Flur getroffen hatte. Ihre Haare standen wirr nach allen Seiten ab, sie hatte Ringe unter den Augen und gähnte ununterbrochen. Ich antwortete:
»Nö, ich konnte nur nicht mehr schlafen und wollte so schnell wie möglich nach Ohlstedt. Du kannst ja später nachkommen. So wie du aussiehst, solltest du lieber wieder zurück ins Bett.« Verena hatte dankbar genickt und auf dem Absatz kehrtgemacht, Martini war ihr maunzend gefolgt.
Während ich jetzt gut gelaunt in die Pedale trat, dachte ich über meine Mutter nach. Die war nämlich gestern nicht nur beim Friseur und der Kosmetik gewesen, sondern hatte abends auch noch eine Verabredung gehabt. Und wie es schien, war es ziemlich spät geworden. Wer der oder die mysteriöse Unbekannte war, hatte sie mir nicht verraten wollen, nur, dass sie zu unserem Lieblingsitaliener Der Etrusker gehen wollten.
Das wäre ja ein Ding, wenn Verena und ich gleichzeitig verliebt wären, dachte ich und lehnte mein Fahrrad an Theodoras Carport. Irene hatte den Schlüssel unter einer losen Gehwegplatte versteckt, sodass ich problemlos ins Haus kam.
Als ich die Tür öffnete, schlug mir der vertraute Geruch aus gebackenem Kuchen, Holz und einem Hauch Feuchtigkeit entgegen, der typisch für die Lage nah am Waldrand war. Eine Mischung aus Moos, Tannennadeln und feuchtem Morgentau, der sich besonders gern in Stoffen verfing und mich an früher erinnerte. Doch das Haus war nichts ohne Theodora, die immer noch im Krankenhaus lag und ihre baldige Entlassung herbeisehnte. Ich öffnete die Terrassentür, um Luft ins Wohnzimmer zu lassen, doch anstelle einer erfrischenden Brise schlug mir ein feuchtwarmer Schwall entgegen. Warum war es denn innerhalb der letzten Stunde nur so schwül geworden? Nachdenklich ging ich durch den Garten bis zur Feen-Statue und betrachtete sie eine Weile. War sie womöglich das Tor zur Anderswelt?
Dann suchten meine Augen kritisch das Grundstück ab.
Hier müsste dringend mal wieder der Rasen gemäht werden, dachte ich und überlegte, ob ich zuerst die Rosen düngen oder gleich den Handmäher aus dem Geräteschuppen holen sollte.
Doch eigentlich hatte ich weder Lust auf das eine noch auf das andere. Stattdessen zog es mich magisch zum Baumhaus.
Nachdem ich an den Haselbüschen vorbeigegangen war, sprang ich mit einem Satz über das Bächlein und war auch schon mittendrin in meinem Zauberwald. »Wenn du dich konzentrierst, kann es sein, dass du an einem Lagerfeuer, an einem Bach oder auf einer Wiese plötzlich ein zartes, feines Kichern oder Wispern hörst. Aber auch kreisförmig wachsende Blumen oder Pilzkolonien können ein Hinweis für die Existenz von Feen sein«, hörte ich Michaels sanfte Stimme in meinem Kopf, also schaute ich mich suchend um. Und siehe da: Ein Stück weiter bildeten Buschwindröschen einen kreisförmigen Blumenteppich.
Um ganz sicher zu sein, schloss ich kurz die Augen. Als ich sie wieder öffnete, blickte ich immer noch auf den Kreis aus Hexenblumen, wie sie im Volksmund genannt wurden. Gespannt flüsterte ich: »Holla?« Doch anstatt einer Antwort zogen sich die
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