Küss mich, Cowgirl!
Dylan Sawyer, an den Tisch gesetzt. Bei ihnen saßen außerdem Miguel Reyes und zwei Gäste aus Kansas City.
Offenbar amüsierten sich alle prächtig.
Toni seufzte und wandte sich ab, um Pfannkuchen und Tortillas aus der Küche zu holen. Es muss schön sein, so frei und unbeschwert zu sein, dachte sie. Sie dagegen war weder das eine noch das andere. Es hatte sie einige Mühe gekostet, Granny gestern Abend zu beruhigen. Was ihre eigenen Nerven anging, war es hoffnungslos gewesen. Trotz ihres festen Entschlusses, den Vorfall mit Simon aus dem Gedächtnis zu streichen, hatte sie den Großteil der Nacht darüber grübeln müssen. So war sie noch nie zuvor von irgendjemandem geküsst worden.
Wie niederträchtig von ihm, so über sie herzufallen! Aber jetzt war sie wenigstens vorgewarnt. Noch einmal würde sie das nicht zulassen.
In diesem Moment betrat Simon den Speisesaal. Toni blieb so abrupt stehen, das Niki, die dicht hinter ihr war, mit ihr zusammenstieß.
“He, pass doch auf!” Mit wütender Miene trug Niki ihre Pfanne mit den Würstchen und dem Speck zur Warmhalteplatte.
Hungrige Gäste stellten sich in einer Schlange am Büffet auf, um ihre Teller zu füllen. Niki zupfte Toni am Arm. “Willst du vielleicht den ganzen Tag nur dastehen und die Pfannkuchen halten, oder können die Leute sie auch essen?”
“Oh, tut mir leid.” Verlegen stellte Toni die Pfanne auf ihren Platz auf dem Büffet. “Ich war nur …”
“Ja”, meinte Niki lächelnd, “das habe ich gemerkt.” Sie wandte sich den Gästen zu. “Guten Morgen, Simon. Guten Morgen, Mr Jefferson. Haben Sie gut geschlafen?”
Toni hatte nicht einmal bemerkt, dass Simons Assistent mit ihm den Speisesaal betreten hatte. Verlor sie allmählich die Gewalt über sich?
“Und wie.” Erwartungsvoll wandte sich Simon an Toni. “Wo sitzen wir?”
“Sie meinen, Sie und Mr Jefferson? Wo immer Sie einen freien Platz finden.”
“Nein, ich meine Sie und ich.”
“Ich kann mich nicht setzen, da ich arbeite.”
Er runzelte die Stirn. “Aber Sie sind mein Cowgirl. Die Frauen essen auch mit ihren Cowboys.” Er deutete auf die sich langsam vorwärts bewegende Schlange. “Zähle ich vielleicht nicht?”
Toni stöhnte resigniert.
Niki stieß ihre Schwester nicht allzu sanft an. “Geh ruhig. Hier ist momentan alles unter Kontrolle. Genieß dein Frühstück.”
Als könnte ich das, dachte Toni.
Kent Jefferson räusperte sich. Er trug eine nagelneue Jeans, deren Hosenbeine hochgekrempelt waren, ein bunt geblümtes Hemd und schien sich äußerst unwohl zu fühlen. “Sir, falls Sie erlauben, werde ich den Damen in der Küche helfen.”
“Um Himmels willen, nein!” Toni schüttelte energisch den Kopf. “Sie sind ein Gast.”
“Streng genommen bin ich das nicht. In Mr Barnetts Diensten werde ich oft zu Küchenarbeiten herangezogen. Es wäre mir eine Freude, wenn Sie mir das auch hier erlauben würden, Miss Keene.”
“Aber …”
“Ich kümmere mich schon darum, Toni”, meinte Niki. “Mr Jefferson, ich glaube nicht, dass Granny …”
Den Rest der Auseinandersetzung hörte Toni nicht mehr, weil Simon sie an einen Tisch zog. Aber sie erfuhr, wer gewonnen hatte, da sie sah, wie Niki resigniert die Hände in die Luft warf und Mr Jefferson in die Küche führte.
Zu ihrem Erstaunen genoss Toni das Frühstück tatsächlich. Simon war nicht nur eine angenehme Gesellschaft, sondern auch unterhaltsam. Es dauerte nicht lange, bis sie über die Geschichten von seinem Leben mit seiner jüngeren Schwester in San Antonio lachte. Er verehrte seine Schwester zwar, beschrieb sie jedoch als überaus naiv.
Das war umso überraschender, da Tonis Eindruck von Marilee ein ganz anderer gewesen war. In einer Gesprächspause fragte sie: “Was machen Sie eigentlich beruflich, Simon?”
“Ich bin in der Grundstückserschließung tätig.”
“Sie müssen gut sein in Ihrem Beruf.” Ein Chauffeur und ein persönlicher Assistent waren sicher nicht billig. Natürlich gab es auch Leute, die das Geld ausgaben, bevor sie es verdient hatten. Außerdem war Simon noch sehr jung, wahrscheinlich nicht älter als dreißig.
Er zuckte die Schultern. “Ich komme zurecht.” Doch das aufblitzende Lächeln verriet, dass er tatsächlich ziemlich erfolgreich war. Plötzlich wurde seine Miene ernst. “Ich spüre, dass Sie skeptisch sind.”
Woher wusste er so genau, was in ihr vorging? “Wieso sollte ich?” Sie zerknüllte ihre Serviette und legte sie neben den Teller.
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