Kuess mich doch - Roman
Auktion umzog. Er hatte tagelang kaum geschlafen, konnte sich nicht einmal daran erinnern, etwas gegessen zu haben, obwohl er das mit ziemlicher Sicherheit getan hatte. Das Mädchen war schließlich zwar lebend aufgefunden worden, aber Coop wollte sich gar nicht ausmalen, was die Kleine in der Zwischenzeit womöglich alles mitgemacht hatte. Er hatte zu lange mit diesen Nachrichten gelebt, geatmet und gegessen.
Sosehr ihm vor dieser Auktion graute, sie würde ihn zumindest von der schrecklichen Geschichte ablenken, über die er berichtet hatte. Er war froh, dass er nicht allein hingehen musste. Er hatte seine Familie eingeladen. Matt und seine Frau hatten zwar zu tun, aber sein Vater hatte zu Coops Überraschung zugesagt. Er hatte eine Vertretung für sein Lokal gefunden und
würde sogar noch eine Witwe mitbringen, mit der er sich ab und zu traf.
Coop freute sich für seinen alten Herrn. Zumindest hat einer von uns beiden ein Liebesleben, das sich positiv entwickelt, dachte er.
Coop würde ebenfalls in Begleitung hingehen. Als er mit den Leuten von der Stiftung gesprochen hatte, hatten sie ihm mitgeteilt, dass sie einen Sicherheitsdienst engagieren würden, der ein Auge auf die zum Verkauf angebotenen Gegenstände haben sollte. Charlottes Schmuck stellte lediglich einen Teil des Angebots dar, deshalb waren mindestens zwei Sicherheitsleute vonnöten. Da Coop wusste, dass sich Sara gerne in ihrer Freizeit etwas dazuverdiente, hatte er sie über das Vorhaben der Lancaster-Stiftung informiert, und sie hatte sich um den Job beworben. Außerdem hatte Sara ihrem Ex-Partner Rafe Mancuso Bescheid gegeben, und dank Coops Empfehlung und ihrer einschlägigen Erfahrung waren sie beide engagiert worden. Coop und Sara würden also zusammen zur Veranstaltung gehen.
Coop duschte und zog seinen geliehenen Smoking an. Als er in den Spiegel sah, um seine Krawatte zu binden, stellte er fest, dass er vergessen hatte, sich zu rasieren. Er hatte einen Dreitagebart, aber ein Blick auf die Uhr bestätigte ihm, dass ihm keine Zeit mehr blieb. Die Show konnte schließlich nicht ohne ihn beginnen.
Lexie, Charlotte und Sylvia trafen eine halbe Stunde zu früh in dem Gebäude an der Upper East Side ein, in dem die Auktion der Lancaster-Stiftung stattfinden sollte. Sie musste dringend mit Coop reden, wenn möglich unter vier Augen, auch wenn das bedeutete, dass ihre Großmutter und Sylvia auf diese Weise ausreichend Zeit haben würden, sich ein paar Drinks hinter die Binde zu kippen.
Das Haus war wunderschön ausgestattet, angefangen von den Marmorböden über die aufwendig verzierten Säulen bis hin zu den vielen Spiegeln, die überall hingen. In einem großen Saal wurden Cocktails serviert. Hier waren auch die für die Versteigerung bestimmten Stücke ausgestellt, damit die Gäste den zu versteigernden Schmuck schon einmal unter die Lupe nehmen und sich die jeweiligen Identifikationsnummern für die Auktion notieren konnten. Lexie hatte bereits einige Mitglieder der High Society gesichtet. Kein Wunder, die Stiftung hatte alles eingeladen, was in Manhattan Rang und Namen hatte. Charlotte und Sylvia waren bereits im Ausstellungssaal. Ho f fentlich benehmen sie sich , dachte Lexie, die in der Haupthalle wartete. Sie strich nun schon mindestens das dritte Mal binnen drei Minuten den glänzenden silbernen Stoff glatt, der ihre Hüften bedeckte. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die regelmäßig glamouröse Outfits tragen, und sie kam sich verkleidet vor in dem eng anliegenden, knielangen Kleid und den hochhackigen Schuhen, zu denen sie die Verkäuferin überredet hatte. Dazu kam, dass ihr die Dame, die ihr bei Bloomingdale’s
mit dem Make-up geholfen hatte, vorgeschlagen hatte, sie solle Kontaktlinsen tragen, damit ihre Augen besser zur Geltung kamen.
Sie hatte diese Woche bereits viele bedeutende Fortschritte gemacht, und weil die Verkäuferin es verstanden hatte, ihr Komplimente zu machen, statt Kritik zu üben, hatte sich Lexie die Adresse eines Geschäfts in der Nähe notiert, das auf Kontaktlinsen spezialisiert war. Aber sie fand es höchst ungewohnt, dass sie nicht ab und zu mit ihrer Brille herumspielen konnte.
Alles in allem fühlte sie sich heute nicht allzu wohl in ihrer Haut, aber zumindest passte sie gut ins Umfeld. Das allein war schon ein Fortschritt.
Sie lehnte sich an eine dicke Marmorsäule und trank einen Schluck Champagner. Der Alkohol des blubbernden Getränks ging direkt in ihre Blutbahnen über und stieg ihr sofort
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