Küss mich Engel
Händchenhalten intimer vorkam, als mit ihr zu schlafen. Dennoch ließ sie den Arm nicht sinken. Dies war bloß eine Herausforderung mehr für sie.
Die Sohlen seiner Arbeitsstiefel machten dumpfe Geräusche auf den Holzstufen, als er zu ihr herunterkam. Er ergriff ihre Hand, und die Schwielen auf seinen Handflächen erinnerten sie daran, dass er ein Mann war, der an harte körperliche Arbeit gewöhnt war. Seine Hand umfing die ihre warm und stark.
Der Strand war verlassen, doch überall lag noch der Müll herum, den die Tagesbesucher hinterlassen hatten: leere Coladosen, ein Haargummi, der zerbrochene Deckel einer Styropor-Kühltasche. Sie gingen zum Meer hinunter.
»Dem Publikum hat die neue Nummer gefallen.«
»Ich hatte solche Angst, dass mir die Knie schlotterten. Wenn wir nicht diese neue Geschichte gehabt hätten, wär‘ das Ganze eine Katastrophe geworden, aber als ich mich danach bei Jack bedanken wollte, meinte er, es wär deine Idee gewesen.« Sie blickte lächelnd zu ihm auf. »Findest du nicht, das mit den französischen Nonnen war ein wenig übertrieben?«
»Ich hab deine Moralpredigten gehört, mein Schatz. Wenn ich mich nicht sehr irre, hast du einen Teil deiner verrückten Schulbildung in einer Klosterschule gemacht.«
Sie widersprach ihm nicht.
Sie gingen eine Weile schweigend einher. Der Wind fuhr ihr in die Haare, und die Brandung übertönte den schwachen Lärm des Vergnügungsparks, was ihr das Gefühl vermittelte, ganz allein mit ihm auf der Welt zu sein. Sie wartete darauf, dass er ihre Hand losließ, doch das tat er nicht.
»Du hast gute Arbeit geleistet heute Abend, Daisy. Du warst wirklich fleißig und sehr diszipliniert.«
»Findest du? Findest du wirklich, dass ich diszipliniert bin?«
»Ja, das bist du.«
»Danke. Das hat noch nie jemand zu mir gesagt.« Sie stieß ein leises, sarkastisches Lachen aus. »Und wenn‘s jemand gesagt hätte, hätte ich‘s nicht geglaubt.«
»Aber mir glaubst du‘s«
»Du bist nicht jemand, der leichtfertig Lob austeilt.«
»Soll das ein Kompliment sein?«
»Weiß ich nicht.«
»Das ist unfair.«
»Was?«
»Ich hab was Nettes über dich gesagt. Da wird dir doch zumindest eine nette Sache zu mir einfallen.«
»Aber sicher. Du machst tolles Chili.«
Zu ihrer Überraschung runzelte er die Stirn. »Okay. Vergiss, dass ich was gesagt hab.«
Vollkommen perplex erkannte sie, dass sie seine Gefühle verletzt hatte. Sie hatte gedacht, er machte nur Spaß, doch bei ihm sollte sie es wirklich besser wissen. Dennoch überraschte es sie, dass ihm etwas an ihrer Meinung lag. »Die guten Sachen kommen noch. Hab mich nur warmgemacht«, sagte sie.
»Es ist egal. Wirklich. Vergiss es.«
Aber es war durchaus nicht egal, und das freute sie. »Lass mich nachdenken.«
»Vergiss es.«
Sie drückte voller Zuneigung seine Hand. »Du tust, was du für richtig hältst, auch wenn die andern anderer Meinung sind, also sollte ich deine Integrität eigentlich bewundern, aber -« Sie faltete die Finger um seine Hand. »Willst du wirklich, dass ich ehrlich bin?«
»Hab ich doch gesagt, oder?«
Sie ignorierte sein trotzig vorgerecktes Kinn, »Du hast ein wundervolles Lächeln,«
Er sah ein wenig perplex drein, und seine Hand, mit der er die ihre festhielt, entspannte sich ein wenig. »Du magst mein Lächeln?«
»Ja, wirklich. Ehrlich.«
»Das hat noch niemand zu mir gesagt.«
»Nicht viele kriegen es zu sehen.« Sie musste selbst ein Lächeln verbergen, als sie sah, wie ernsthaft er darüber nachdachte. »Da ist noch was, aber ich weiß nicht, wie du‘s aufnehmen wirst.«
»Schieß los.«
»Du hast einen wirklich tollen Körper.«
»Einen tollen Körper? Ist das alles? Das ist das Zweitbeste, mit dem du aufwarten kannst?«
»Ich hab nicht gesagt, dass es das Zweitbeste ist. Alles, was ich tue, ist, was Gutes über dich zu sagen, und das ist was richtig Gutes.«
»Mein Körper?«
»Er ist einfach toll, Alex, wirklich.«
»Danke.«
»Gern geschehen.«
Das Rauschen der Brandung füllte die kurz eingetretene Stille.
»Deiner auch«, sagte er.
»Was?«
»Dein Körper. Ich mag ihn.«
»Meiner? Aber daran ist doch überhaupt nichts Tolles. Meine Schultern sind zu schmal für meine Hüften, und meine Oberschenkel sind zu fett. Mein Bauch -«
Er schüttelte den Kopf. »Also das nächste Mal, wenn mir eine Frau sagt, wie neurotisch Männer sind, werde ich an das hier denken. Du erzählst mir, du magst meinen Körper, und was sage ich? Dankeschön. Dann
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