Küss mich Engel
du mir nachspionierst.«
»Ich wollte bloß sichergehen, dass du sie nicht vergisst.«
»Mit anderen Worten, du hast mir nachgeschnüffelt.«
»Ich werd mich nicht deswegen entschuldigen. Ich hab dir gesagt, wie sehr ich gegen Kinder bin.«
Sie blickte ihn traurig an. »Wir haben auch gar nichts, stimmt‘s? Keinen Respekt, keine Zuneigung, kein Vertrauen.«
»Wir haben Zuneigung, Daisy. Ich zumindest empfinde Zuneigung für dich.« Er zögerte. »Und meinen Respekt hast du dir auch verdient. Ich hätte nie geglaubt, dass du deine Arbeit so ernst nehmen könntest. Du hast wirklich Mumm, Daisy.«
Sie weigerte sich, Dankbarkeit für seine Worte zu empfinden. »Aber dein Vertrauen hab ich nicht.«
»Ich weiß, dass du‘s gut meinst.«
»Aber du hältst mich außerdem für eine Diebin. So gut kann ich‘s deiner Meinung nach also gar nicht meinen.«
»Du warst verzweifelt, als du das Geld genommen hast. Du warst erschöpft und voller Angst, sonst hättest du‘s bestimmt nicht getan. Das weiß ich jetzt.«
»Ich hab das Geld nicht genommen.«
»Es ist schon in Ordnung, Daisy. Ich werf‘s dir nicht länger vor.«
Die Tatsache, dass er ihr noch immer nicht glaubte, hätte eigentlich nicht so weh tun sollen. Die einzige Art und Weise, ihn zu überzeugen, bestand darin, Heather anzuprangern, und das konnte sie nicht, das wusste sie jetzt. Wozu auch? Sie wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass Heather fortgeschickt wurde. Und wenn sie Alex erst Beweise vorlegen musste, damit er an ihre Unschuld glaubte, dann war es ohnehin bedeutungslos.
»Wenn du mir vertraust, warum schnüffelst du mir dann nach?«
»Ich kann einfach nichts riskieren. Ich will kein Kind haben.«
»Das hab ich sehr gut verstanden.« Am liebsten hätte sie ihn gefragt, ob es der bloße Gedanke an ein Kind war, der ihn so abschreckte, oder der Gedanke, eins mit ihr zu haben, aber sie fürchtete sich vor der Antwort. »Ich will nicht, dass du mir in dieser Sache weiter hinterherspionierst. Ich hab dir gesagt, dass ich sie nehme, und das werde ich auch. Du wirst mir wohl oder übel vertrauen müssen.«
Sie sah, wie er mit sich rang. Obwohl ihre Mutter sie auf so hässliche Weise mit Noel Black betrogen hatte, hatte sie den Glauben an das Gute im Menschen nicht verloren. Alex jedoch schien niemandem außer sich selbst zu trauen.
Zu ihrer Überraschung merkte sie, wie ihre Empörung wich und Mitleid an deren Stelle trat. Wie schrecklich musste es sein, wenn man durchs Leben ging, indem man immer nur das Schlechteste von seinen Mitmenschen annahm.
Sie strich ihm mit den Fingerspitzen über den Handrücken. »Ich würde dir nie absichtlich weh tun, Alex. Es wäre wirklich schön, wenn du mir wenigstens so weit vertrauen könntest.«
»Das ist nicht so leicht.«
»Ich weiß. Aber du musst‘s trotzdem.«
Er blickte sie lange an, bevor er abrupt nickte. »Okay. Kein Rumschnüffeln mehr.«
Irgendwie spürte sie, wieviel ihn dieses Zugeständnis kostete, und sie war berührt.
»Uuuuund nuun, Ladies und Gentlemen, zum ersten Mal in der Manege des Zirkus Quest begrüßen wir Theodosia, die wunderschöne Braut von Alexi, dem Kosaken!«
Daisys Knie zitterten so stark, dass sie stolperte und ihren ersten Auftritt ruinierte. Was war bloß aus dem wilden Zigeunermädchen geworden, fragte sie sich panisch, während sie Jacks neuer Story zum ersten Mal lauschte. Heute Vormittag bei der Probe hatte er mit dem Zigeunerthema angefangen, war dann jedoch frustriert hinausmarschiert, als sie ein paarmal aufschrie. Und als Sheba ihr dann brüsk dieses neue Kostüm in die Hand gedrückt hatte, wusste sie, dass sie es wohl mit einer neuen Idee probieren würden. Leider war Sheba gleich wieder davonmarschiert, ohne die Höflichkeit zu besitzen, sie diesbezüglich aufzuklären.
Die Balalaikamusik zitterte sehnsuchtsvoll durch das big top , das diesmal auf einem Parkplatz des Kurorts Seaside Heights in New Jersey errichtet worden war. Alexi stand mit der Peitsche in der Hand auf der anderen Seite der Manege. Roter Konfettiglitter von den Ballons, die er soeben hatte zerplatzen lassen, klebte an seinen polierten Reitstiefeln, und die roten Pailletten auf seiner Schärpe funkelten wie frische Blutstropfen.
»Finden Sie, dass sie nervös aussieht, Ladies und Gentlemen?« Jack machte eine weit ausholende Armbewegung in ihre Richtung. »Also ich finde, sie sieht nervös aus. Keiner von uns begreift wirklich, wieviel Mut es dieses behütete Mädchen kostet,
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