Küss mich Engel
Dad mit Frauen schlief, war ihr unvorstellbar, obwohl sie wusste, dass es wahrscheinlich der Fall war. Aber zumindest sorgte er dafür, dass sie es nicht mitkriegte, was man von ihren Brüdern nicht behaupten konnte. Ihr Dad pfiff die beiden dauernd herunter, weil sie in ihrer Gegenwart dreckige Wörter benutzten.
Er hatte sie noch nicht gesehen. Seine Zigarrenspitze glühte rot auf, als er einen Zug nahm. Heather hatte nichts zu Abend gegessen, doch war ihr speiübel, als ob sie sich jeden Moment übergeben müsste, wenn sie nur daran dachte, was sie jetzt tun musste. Wenn sie sich doch bloß die Ohren zuhalten und die Stimme ihres Gewissens verstummen lassen könnte, doch sie wurde mit jedem Tag lauter. Es war mittlerweile so schlimm geworden, dass sie Nachts nicht mehr schlafen und kein Essen mehr bei sich behalten konnte. Nichts zu sagen war zu einer schlimmeren Strafe für sie geworden, als alles zu beichten.
»Dad - äh - kann ich mal mit dir reden?« Sie hatte einen Wahnsinnsfrosch im Hals, so dass ihre Worte ein wenig heiser herauskamen.
»Ich dachte, du schläfst schon.«
»Ich kann nicht.«
»Schon wieder? Was ist los mit dir, in letzter Zeit?«
»Es ist -« Sie rang die Hände. Er würde ausflippen, wenn sie‘s ihm sagte, aber so ging es einfach nicht weiter, zu wissen, dass sie Daisy böse hintergangen und nichts unternommen hatte, um die Sache richtigzustellen.
Wenn Daisy sich als Miststück erwiesen hätte, wär‘s vielleicht anders gewesen, aber sie war der netteste Mensch, der ihr je begegnet war. Manchmal wünschte sie, Daisy hätte sie gleich entlarvt, dann wäre alles längst vorbei.
»Was ist los, Heather? Machst du dir immer noch Gedanken darüber, dass du heut Abend dein Stichwort überhört hast?«
»Nö.«
»Nun, das solltest du aber vielleicht. Ich weiß wirklich nicht, warum du dich nicht besser konzentrieren kannst. Als Matt und Rob in deinem Alter waren -«
»Ich bin nicht Matt und Rob!« Ihre zum Zerreißen gespannten Nerven gaben nach. »Immer sind es nur Matt und Rob, Matt und Rob! Sie tun alles perfekt, und ich bin die Versagerin!«
»Das hab ich nicht gesagt.«
»Aber gedacht. Immer vergleichst du uns. Wenn ich gleich zu dir hätt kommen können, als Mom starb, anstatt bei Terry bleiben zu müssen, dann wär‘ ich jetzt schon viel weiter.«
Er wurde nicht sauer. Er rieb sich statt dessen den Arm, und da wusste sie, dass ihm seine Sehnenentzündung wieder zu schaffen machte. »Heather, ich hab getan, was ich für dich für am besten hielt. Das hier ist ein hartes Leben. Ich wünsch mir was Besseres für dich.«
»Es gefällt mir hier. Ich mag den Zirkus.«
»Du verstehst mich nicht.«
Sie sank auf den Stuhl neben ihm, weil sie sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Das war der beste und gleichzeitig der schlimmste Sommer ihres Lebens. Am besten war, mit Daisy und Sheba zusammen sein zu können. Obwohl die beiden nicht miteinander auskamen, kümmerten sie sich beide um sie. Auch wenn sie das Daisy gegenüber nie zugeben würde, sie mochte ihre Moralpredigten über Fluchen, Rauchen, Sex und all das. Außerdem war Daisy lustig, und sie streichelte andere gerne. Immer rieb sie ihr über den Arm, den Rücken oder so.
Sheba gluckte auf andere Art um sie rum. Sie setzte sich für sie ein, wenn ihre Brüder sich mal wieder aufführten, und sorgte dafür, dass sie anständiges Essen zu sich nahm und nicht nur Junk Food. Sie half ihr bei ihren Akrobatikübungen und schrie sie nie an, nicht mal, wenn sie was falsch gemacht hatte. Sheba streichelte ebenfalls gerne, immer rubbelte sie ihr übers Haar, richtete ihre Haltung oder klopfte ihr nach der Vorstellung auf die Schulter.
Die Begegnung mit Kevin letzte Woche war ebenfalls richtig gut gewesen. Er hatte versprochen, ihr zu schreiben, und Heather hatte vor, ihm zu antworten. Er hatte sie nicht geküsst an dem Abend, aber sie glaubte, dass er gerne gewollt hätte.
Wenn bloß alles andere in diesem Sommer nicht so schrecklich gewesen wäre. Sie hatte sich bis auf die Knochen blamiert vor Alex. Ihr schauderte immer noch jedes Mal, wenn sie nur daran dachte. Ihr Dad war dauernd sauer auf sie. Und am allerschlimmsten war, was sie Daisy angetan hatte, das war so schrecklich, dass sie nicht eine Minute länger damit leben konnte.
»Dad, ich muss dir was sagen.« Sie verkrallte ihre Hände. »Was Schlimmes.«
Er erstarrte. »Du bist doch nicht schwanger, oder?«
»Nein!« Sie wurde knallrot. »Immer denkst du nur das
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