Küss mich Engel
Heather nicht sah, wie sie lächelte.
Das Mädchen rümpfte die Nase. »Is echt keine Beleidigung, Daisy. Er ist sexy und so, aber er is echt alt.«
Daisy verschluckte sich.
Heather blickte zur Kasse, wo Kevin endlich seine Bestellung aufgab. »Er ist soo süß.«
»Alex?«
Heather blickte sie entsetzt an. »Nein! Kevin!«
»Ach so. Nun, Alex ist kein Kevin, soviel ist sicher.«
Heather nickte todernst. »Soviel ist mal sicher.«
Jetzt konnte Daisy nicht mehr anders. Sie fing an zu kichern, und zu ihrer Freude fiel Heather mit ein.
Als sie wieder beim Zeltplatz ankamen, machte sich Heather davon, um mit Sheba zu trainieren. Daisy packte die zuvor eingekauften Lebensmittel aus und sammelte das Gemüse und Obst zusammen, das sie extra für ihre Tiere gekauft hatte. Sie war froh, dass Alex nie etwas zu diesen Extraausgaben sagte. Jetzt, wo sie wusste, dass er nur ein armer Collegeprofessor war, versuchte sie sogar noch sparsamer zu sein, aber lieber würde sie die Lebensmittelausgaben für sie beide einschränken, als den Tieren weniger zukommen zu lassen.
Wie inzwischen gewohnt, ging sie zuerst beim Elefantenwagen vorbei, um Tater abzuholen, dann schlenderten sie zu zweit zur Menagerie. Sinjun, jeder Zoll ein König, ignorierte den kleinen Elefanten normalerweise, doch diesmal hob er seinen stolzen Kopf und betrachtete seinen Rivalen mit hochmütiger Herablassung.
Mich liebt sie am meisten, du kleiner Wurm, vergiss das ja nicht.
Lollipop und Chester standen angebunden draußen vor dem Zelt, und Tater nahm seinen üblichen Platz in der Nähe ein, wo ihn ein Haufen frisches Heu erwartete. Daisy ging hinüber zu Sinjun, griff durch die Gitterstäbe und kraulte ihn hinter den Ohren. Babysprache fand er erniedrigend, also flötete sie nicht, wie sie es mit den anderen machte.
Sie schätzte ihre Zeit mit den Tieren über alles. Sinjun war unter ihrer Pflege förmlich aufgeblüht, und sein braun-oranges Fell glänzte jetzt vor Gesundheit. Manchmal, sehr früh am Morgen, wenn noch alles ruhig war und sie sich in einer verlassenen Gegend befanden, kroch Daisy aus ihrem warmen Nest an Alex‘ Seite und ließ Sinjun aus seinem Käfig, damit die große Raubkatze frei herumlaufen konnte, wenn auch nur für ein kleines Weilchen.
Zusammen tollten sie dann über das taufeuchte Gras, Sinjun immer mit sorgfältig eingezogenen Krallen und Daisy mit einem wachen Auge auf eventuelle Frühaufsteher. Jetzt, wo sie ihn streichelte, fühlte sie, wie sie langsam von Müdigkeit übermannt wurde.
Sinjun starrte ihr tief in die Augen. Sag‘s ihm.
Das werd ich.
Sag‘s ihm.
Bald. Ich sag‘s ihm bald.
Wie lange dauerte es noch, bis das neue Leben in ihr sich zu regen begann? Sie konnte nicht mehr als sechs Wochen schwanger sein, also würde es schon noch ein Weilchen dauern. Da sie ihre Pille nicht ein einziges Mal vergessen hatte, hatte sie die Symptome zunächst für Stress gehalten, doch als sie sich letzte Woche auf einer Toilette in einem Truck-Stop übergeben musste, hatte sie sich schließlich einen Schwangerschaftstest besorgt und die Wahrheit erfahren.
Sie spielte mit einem von Sinjuns Ohren. Sie wusste, dass sie es Alex bald sagen musste, war aber einfach noch nicht bereit. Er würde sich sicher aufregen - darüber machte sie sich keine Illusionen aber sobald er sich an den Gedanken gewöhnt hatte, würde er sich sicher freuen. Er musste sich einfach freuen, sagte sie sich fest. Er liebte sie. Er hatte es bloß noch nicht zugegeben. Und er würde auch ihr Baby lieben.
Obwohl er die Worte, die sie so sehr hören wollte, noch nicht laut geäußert hatte, wusste sie, dass er tiefe Gefühle für sie hegte. Wie sollte sie sich sonst den zärtlichen Ausdruck erklären, der in den unerwartetsten Augenblicken in seinen Augen stand, oder die beinahe greifbare Zufriedenheit, die er ausstrahlte, wenn sie beide zusammen waren? Manchmal fiel es ihr schwer, sich daran zu erinnern, wie selten er am Anfang ihrer Beziehung gelacht hatte.
Sie wusste, dass er gerne mit ihr zusammen war. Angesichts der Enge, in der sie in dem Wohnwagen zusammenlebten, und den langen gemeinsamen Fahrtstunden jeden Vormittag verbrachten sie mehr Zeit miteinander als die meisten Paare, dennoch suchte er sie auch während des Tages immer wieder auf, um ihr etwas zu erzählen, das ihr, wie er wusste, gefallen würde, um sich brummend über ein Problem mit einem örtlichen Behördenvertreter zu beklagen oder um ihr einfach einen besitzergreifenden Klaps auf
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