Küss mich Engel
ebenso leicht wie das Atmen. Sie war genauso wenig fähig, jemandem ihre Liebe vorzuenthalten, wie einem anderen absichtlich weh zu tun. Er würde ihre süße, großzügige Natur, ihr zartes, liebevolles Herz schamlos ausnützen. Er würde keine Geheimnisse mehr vor ihr haben. Er würde ihr alles anvertrauen, was er fühlte, und wenn sie das nicht milde stimmte, würde er sie an das heilige Gelübde erinnern, das sie abgelegt hatten. Er würde an ihr Mitleid appellieren, würde sie drängen, sie lieben, bis sie vergaß, dass er sie verraten hatte. Er würde sie daran erinnern, dass sie jetzt eine Markov war, und die Markov-Frauen hielten zu ihren Männern, auch wenn diese es nicht verdienten.
Die Fenster des Wohnwagens waren immer noch dunkel. Er beschloss, dass es besser war, sie vorläufig schlafen zu lassen, damit sie sich ein wenig erholen konnte, aber sobald der Morgen kam, würde er alles tun, um sie zurückzugewinnen.
Die Zuschauer verließen das big top , und er machte sich an die Arbeit. Während das große Zelt in sich zusammensank, wollte er ihr seine Liebe beweisen, ihr ein sichtbares Zeichen dafür geben, dass von nun an alles anders sein würde zwischen ihnen. Er warf einen Blick auf die dunklen Wohnwagenfenster, dann rannte er zu seinem Pickup. Zehn Minuten später fand er einen Supermarkt, der vierundzwanzig Stunden geöffnet hatte.
Die Auswahl war limitiert, aber er füllte seine Arme mit allem, was er finden konnte: eine Kinderpackung Tiercracker, eine blaue Plastikrassel und eine flauschige gelbe Plüschente, ein Raumschiff-Enterprise-Comic, einen Plastiklatz mit einem Häschen mit Hängeohren drauf, Fruchtsaft und Haferflocken, da sie sich ja gesund ernähren musste.
Mit seinen Gaben raste er dann zum Zirkus zurück, und die Papiertüte riss, als er sie vom Beifahrersitz schnappte. Mit seinen großen Händen hielt er sie zusammen und rannte zum Wohnwagen. Wenn sie das alles sah, würde sie begreifen, was sie ihm bedeutete. Was ihm ihr Baby bedeutete. Sie würde wissen, wie sehr er sie liebte.
Die Rassel fiel herunter, als er am Türknauf drehte. Das Plastikding fiel klappernd auf die Metallstufen und rollte dann ins Gras. Er stürmte hinein. Sie war fort.
22
Max Petroff warf Alex einen irritierten Blick zu. »Warum verschwendest du hier deine Zeit? Ich hab dir doch gesagt, dass ich dich anrufe, sobald sie sich bei uns meldet.«
Alex starrte blind aus dem Fenster, das zum Central Park hinausging, und suchte nach einer Antwort. Er wusste nicht, wann er das letzte Mal eine anständige Mahlzeit gehabt oder mehr als ein paar Stunden am Stück geschlafen hatte, ohne dauernd hochzuschrecken. Sein Magen machte ihm Probleme, er hatte Gewicht verloren, und er wusste, dass er aussah wie eine Leiche.
Es war jetzt einen Monat her, seit Daisy davongelaufen war, und er war heute nicht weiter dran, sie aufzuspüren, als in der Nacht, in der sie geflohen war. Er war einer Spur nach der anderen nachgejagt und hatte dabei mehr Vorstellungen versäumt, als er zählen konnte, doch weder er noch der Privatdetektiv, den er angeheuert hatte, waren zu irgendeinem Ergebnis gekommen.
Max hatte ihm eine Liste mit Namen von Leuten gegeben, mit denen sich Daisy möglicherweise in Verbindung setzen könnte, und er hatte mit allen gesprochen, aber sie schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Er hoffte nur, dass ihre Engelsflügel sie in der Luft halten würden.
Er drehte sich langsam zu Max herum. »Ich hab gedacht, du hättest vielleicht irgendwas übersehen. Sie hatte nicht mehr als hundert Dollar bei sich, als sie verschwand.«
Amelia meldete sich von der Couch zu Wort. »Also wirklich, Alex. Glaubst du, Max würde dir Informationen vorenthalten, wo er sich so bemüht hat, euch überhaupt zusammenzubringen?«
Amelias hochnäsige Art ging ihm ohnehin auf den Keks, doch jetzt, wo seine Nerven bis zum Zerreißen gespannt waren, konnte er seine Abneigung nicht mehr ganz verbergen. »Tatsache ist, dass meine Frau verschwunden ist, und keiner scheint zu wissen, wo sie abgeblieben ist, verdammt noch mal.«
»Beruhige dich, Alex. Wir machen uns genauso große Sorgen wie du.«
»Wenn du mich fragst«, sagte Amelia, »solltest du diesen Arbeiter fragen, der sie zum letzten Mal gesehen hat«.
Alex hatte Al Porter so lange ausgefragt, bis er davon überzeugt war, dass ihm der alte Mann wirklich nichts mehr zu sagen hatte. Während Alex seine Hals-über-Kopf-Fahrt zu dem nächtlichen Supermarkt machte, hatte Al Daisy
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