Küss mich Engel
trotzend, hob Alexi beide Arme über den Kopf und hielt sich lediglich mit der Kraft seiner muskulösen Oberschenkel im Sattel.
Das Pferd kam wieder herunter, und Alexi war mit einem Mal verschwunden. Daisy rang erschrocken nach Luft, doch da tauchte er auch schon wieder auf, graziös vom Sattel hängend. Während das Pferd um die Manege galoppierte, zeigte er ein paar waghalsige und dramatische Manöver. Schließlich schwang er sich wieder in den Sattel, nahm die lange Peitsche, die um sein Sattelhorn geschlungen gewesen war, und ließ sie in einem weiten Bogen über seinem Kopf knallen. Das Geräusch war so laut, dass die Leute auf ihren Bänken zusammenfuhren.
Einige Requisiten waren während der Einführungsrede des Ringansagers in der verdunkelten Manege aufgebaut worden: eine Reihe von Ringen, an denen Schleifen und scharlachrote Ballons hingen. Immer im Kreis herumreitend, ließ Alex einen roten Ballon nach dem anderen mit der Peitsche zerplatzen, wobei mit jedem Peitschenknall ein Schauer scharlachroten Flitters, der im Licht wie Blutstropfen funkelte, aufstob.
Ein Showgirl zündete einen riesigen, sechsarmigen Leuchter an. Er ließ die Peitsche mit einem hypnotischen Schwung über dem Kopf kreisen und löschte die Flammen dann eine nach der anderen.
Das Publikum applaudierte, und jene, die hinten saßen, standen auf, um besser sehen zu können. Alex sprang leichtfüßig zu Boden, und das Pferd trottete aus dem Zelt. Die Lichter verdunkelten sich, bis nur noch ein einziger blutroter Scheinwerfer auf den alleinstehenden Mann in der Manege gerichtet war. Er nahm eine zweite Peitsche und fing an, beide rhythmisch schnalzen zu lassen, immer ein Arm oben, ein Arm unten, vorne, hinten. Und dann fing er an, tanzend über die Peitschen zu hüpfen, ein Tanz, dessen maskuline Bewegungen so anmutig und kraftvoll und flink aussahen, dass ihr der Atem stockte. Die Musik wurde schneller und schneller, seine Bewegungen immer rasender, bis die beiden Peitschen wie durch Zauberhand auf einmal zu einer einzigen, gigantischen verschmolzen. Mit einem kräftigen, weitausholenden Schwung ließ er die Riesenpeitsche über seinem Kopf knallen, wo sie plötzlich in Flammen aufging.
Das Publikum rang nach Luft, die Lichter gingen aus, und die Feuerpeitsche tanzte ihre wahnsinnige Mazurka in der schwarzen Manege.
Als das Licht wieder anging, war Alexi der Kosake verschwunden.
4
»Was machst du hier draußen, verdammt noch mal?«
Daisys Augenlider flogen auf, und sie sah sich denselben goldenen Augen gegenüber, die sie bis in ihre Träume verfolgt hatten. Einen Moment lang wusste sie nicht, wo sie war, doch dann fiel ihr mit einem Mal wieder alles ein: Alex, die Hochzeit, die Feuerpeitsche.
Sie merkte, dass er sie an den Schultern festhielt, was der einzige Grund dafür war, dass sie nicht aus seinem Pickup gefallen war, als er die Tür öffnete. Sie war hierhergekommen, um sich zu verstecken, denn sie hatte nicht den Mut gehabt, in einem Trailer mit nur einem Bett und einem peitschenschwingenden Fremden mit einer mysteriösen Vergangenheit zu schlafen.
Sie befreite sich vorsichtig aus seinem Griff und wich so weit von ihm weg wie möglich. »Wie spät ist es?«
»Nach Mitternacht.« Er stützte eine Hand am oberen Türrahmen ab und betrachtete sie mit seinen eigenartigen goldenen Augen, die sie in ihre Alpträume verfolgt hatten. Anstelle seines Kosakenkostüms trug er nun alte, ausgebleichte Jeans und ein ausgewaschenes T-Shirt, doch das machte ihn kein bisschen weniger gefährlich.
»Engelchen, du machst mehr Schwierigkeiten, als du wert bist.«
Sie tat, als würde sie ihre Sachen zurechtziehen, um etwas Zeit zu gewinnen. Nach der letzten Vorstellung war sie zum Trailer gegangen, doch da hatte sie die Peitschen, die er bei seiner Vorstellung benutzt hatte, auf dem Bett vorgefunden, beinahe, als ob er sie zum späteren Gebrauch liegengelassen hätte. Sie hatte versucht, sie nicht anzusehen, während sie aus dem Fenster blickte und die Männer beim Zeltabbau beobachtete.
Alex hatte die Männer sowohl dirigiert als auch selbst mit angepackt, und als sie sah, wie sich seine mächtigen Armmuskeln anspannten, während er ganze Stapel von Sitzbänken auf einen Gabelstapler lud und dann hochzog, musste sie unwillkürlich an seine verschleierte Drohung denken, dass sie schon sehen würde, was passierte, wenn sie nicht tat, was er von ihr wollte. Erschöpft und verloren, wie sie sich fühlte, konnte sie die Peitschen auf dem
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