Küss mich Engel
zurück, als sie sich ihm weiter näherte. »Du bist grob, unartig und hundsgemein! Und wenn du das noch mal wagst, dann kannst du was erleben! Das lass ich mir nicht länger gefallen! Hast du mich verstanden?«
Tater stieß ein erbärmliches kleines Tröten aus und duckte sich, aber sie hatte eindeutig genug. Ohne daran zu denken, dass sie sich ja davor fürchtete, Tiere anzufassen, tippte sie ihm an den Rüssel. »Wenn du meine Aufmerksamkeit haben willst, dann verdien sie dir gefälligst, indem du nett zu mir bist! Du verdienst sie dir nicht, indem du mir eine runterhaust, sobald ich in deine Nähe komme!«
Sein Rüssel sackte traurig herunter, und ein großes Schlappohr klappte untröstlich nach vorn. Sie richtete sich streng zu ihrer vollen Größe auf. »Haben wir uns nun verstanden oder nicht?«
Er hob den Kopf gerade hoch genug, um sie damit sanft an der Schulter zu stupsen. Die Arme vor der Brust verschränkt, wies sie sein Friedensangebot zurück. »Ich kann nicht einfach so tun, als ob nichts passiert wäre.«
Er stupste sie erneut, die braunen Äuglein flehentlich auf sie gerichtet. Sie stählte sich gegen diese unglaublich dichten, langen Wimpern. »Tut mir leid, aber das wird noch ein Weilchen dauern. Du hast eine Menge wiedergutzumachen. Wenn du mich also jetzt entschuldigst, ich muss zurück zur Menagerie.« Sie wandte sich zum Gehen.
Er trötete. Herzzerreißend. Ein kleiner Junge mit gebrochenem Herzen.
Ihre Schritte verlangsamten sich, und ihr wurde weich ums Herz, als sie den völlig verzweifelten kleinen Elefanten mit seinen herunterhängenden Ohren und kummervollen braunen Augen ansah. Sein kleiner Rüssel hing niedergeschlagen zu Boden, die Nüstern kräuselten sich im Staub.
»Das hast du dir selbst zuzuschreiben«, meinte sie streng.
Ein winziges, flehentliches Trompeten.
»Ich hab versucht, nett zu dir zu sein.«
Noch ein Tröten. Und dann sah sie zu ihrer Überraschung, wie Tränen langsam aus seinen Augen kullerten. Digger hatte ihr gesagt, dass Elefanten zu den gefühlvollsten Tieren überhaupt gehörten, die erwiesenermaßen weinen konnten, aber sie hatte ihm nicht geglaubt. Doch als sie jetzt die Tränen über Taters Elefantenhaut kullern sah, verpuffte ihr Zorn.
Zum zweiten Mal an diesem Tag vergaß sie, dass sie Tiere nicht gerne anfasste. Sie streckte die Hand aus und streichelte Taters Rüssel. »Das ist unfair. Du bist eine genauso große Heulsuse wie ich.«
Sein Köpfchen schoss hoch, und er machte ein paar zögerliche Schritte auf sie zu. Als er näher gekommen war, hielt er inne, wie um sie zu fragen, ob es ihr recht war, bevor er den Kopf an ihrer Schulter rieb.
Wieder flog sie beinahe über den Platz, doch diesmal war der Schubs liebevoll gemeint. Sie rubbelte ihm über die Stirn. »Glaub ja nicht, dass du mich jetzt rumschubsen kannst, bloß weil ich dir verzeihe. Achte auf deine Manieren, oder es ist aus zwischen uns.«
Er kuschelte sich sanft wie ein Kätzchen an sie.
»Keine Schläge mehr, keine üblen Toilettentricks.«
Er prustete sanft, und sie schmolz unwiderruflich dahin. »Dummes Kleines.«
Während Daisy ihr Herz verlor, stand Alex am Hintereingang des big top und beobachtete alles. Er sah, wie der kleine Elefant seinen Rüssel um ihren Arm schlang, und lächelte leise. Ob Daisy es nun wusste oder nicht, sie hatte gerade einen Freund fürs Leben gefunden. Er lachte leise und schritt hinüber zum roten Waggon.
Heather war noch nie so unglücklich gewesen. Sie saß am Küchentisch des Airstream und starrte ihr Hausaufgabenheft an, aber die Schrift verschwamm ihr immer wieder vor den Augen. Wie die anderen Zirkuskinder auch, absolvierte sie ihre Schulausbildung über eine Fernschule, die Calvert School in Baltimore, die sich auf das Unterrichten von Kindern spezialisiert hatte, die keinen regelmäßigen Schulunterricht besuchen konnten. Alle paar Wochen traf ein fetter Umschlag mit Schulbüchern, Schul- und Hausaufgaben ein.
Sheba hatte in dieser Sache die Betreuung von Heather übernommen, doch ihre eigene Schulbildung war nicht gerade großartig, so dass sie nicht viel taugte, außer beim Überwachen der Extemporalen. Heather hatte Probleme mit Geometrie, und in ihrem letzten Englischaufsatz hatte sie eine Fünf bekommen.
Jetzt schob sie ihr Heft beiseite und starrte auf ihren Schulblock, auf den sie ein paar Zeilen gekritzelt hatte. Mrs. Alex Markov. Heather Markov. Heather Pepper Markov.
Shit. Warum hatte er das zugelassen? Warum hatte Alex
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