Küss mich Engel
kam sich prompt unglaublich albern vor.
Als sie mit dem Abbrausen von Sinjun fertig war, schlenderte sie ins Zelt zurück und starrte das Flachlandgorillaweibchen namens Glenna an, deren Käfig in einer Ecke stand. Ihre bitterschokoladefarbenen Augen blickten traurig und resigniert durch die Gitterstäbe des viel zu kleinen Käfigs. Etwas an der stillen Resignation des Tiers faszinierte Daisy, und sie ertappte sich dabei, wie sie sich langsam dem Käfig näherte.
Glenna saß ganz ruhig da und beobachtete sie; sie schien zu überlegen, was für ein Mensch das wohl sein mochte, der sich ihr da näherte. So viele, endlos viele waren schon an ihrem Käfig vorbeimarschiert. Daisy blieb stehen und wartete, da sie irgendwie das Gefühl hatte, Glennas Erlaubnis einholen zu wollen, bevor sie näher trat, als ob das Gorillaweibchen in diesem einen Fall einmal eine Wahl haben sollte.
Glenna trat an die Gitterstäbe und beobachtete sie. Langsam hob sie den Arm und streckte ihre Hand durch die Eisenstäbe. Daisy starrte sie an, und mit einem Mal wurde ihr klar, dass das Gorillaweibchen nach ihr verlangte.
Glenna wartete geduldig mit ausgestreckter Hand. Daisys Herz hämmerte wie wild. Sie konnte sich ja kaum dazu bringen, ein Kätzchen zu streicheln, geschweige denn ein ungezähmtes Tier zu berühren, und am liebsten wäre sie auf und davon gegangen, doch der Gorilla war auf eine Art so menschlich, dass es ihr wie eine unverzeihliche Unhöflichkeit vorkam, seine Geste zu ignorieren, und so trat sie zögernd nach vorn.
Glennas Hand war mit der Handfläche nach oben ausgestreckt. Mit großem Zögern streckte Daisy ihre eigene Hand aus und berührte vorsichtig mit ihrer Fingerspitze Glennas Fingerspitze. Sie war weich und glatt. Ein wenig mehr Mut fassend, strich sie über die gesamte Länge des Fingers. Glenna schloss die Augen und stieß einen sanften Gorillaseufzer aus.
Daisy blieb eine Weile bei ihr, streichelte ihre Hand und hatte das Gefühl, als ob ihr Dasein auf einmal einen Sinn bekommen hätte.
Im Lauf des Vormittags begannen sich ihre Fragen über die richtige Pflege der Tiere zu häufen. Mehrmals rannte sie hinüber zu Digger, um ihn um Rat zu fragen, was Futter und die alltäglichen Verrichtungen betraf, und jedesmal, wenn sie auftauchte, wurde sie mit einem unverschämten Trompeten von Tater begrüßt.
Digger beantwortete ihre Fragen nur zögernd, und sie wusste, dass er ihr immer noch wegen gestern böse war. Als sie sich nach dem zweiten Mal zum Gehen wandte, spuckte er hinter ihr aus und verfehlte ihre Turnschuhe nur um Haaresbreite.
»Hab keine Zeit nich mehr für Ihre dämlichen Fragen, Miss. Soll ja schließlich keiner denken, ich wär faul oder so was.«
»Digger, ich hab nicht gesagt, dass Sie faul sind. Ich hab mir bloß Sorgen um den Zustand der Menagerietiere gemacht.« Sie fragte sich insgeheim, wieviel Digger wirklich über die richtige Pflege der Menagerietiere wusste. Die Elefanten liebte er, aber aus den anderen machte er sich nicht viel. Er hatte jedenfalls nicht gewusst, dass Tiger Wasser liebten. Sie beschloss, in den nächsten Tagen selbst ein paar Nachforschungen anzustellen.
Seine verschnupften Augen waren voller Verachtung auf sie gerichtet. »Hab schon seit fuffzich Jahren mit de Viecher zu tun. Un Sie?«
»Erst seit zwei Wochen. Deshalb brauch ich ja Ihren Rat.«
»Hab keine Zeit nich für Gequatsche. Hab zu viel Arbeit.« Er blickte an ihr vorbei, und seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, bei dem ein löchriges gelbes Gebiss sichtbar wurde. Zu spät erkannte sie, was ihn so belustigte. Tater hatte sich von hinten an sie herangeschlichen.
Zack!
Sie hatte das Gefühl, ein eng aufgerolltes Teppichstück vor die Brust geknallt bekommen zu haben. Der Schlag war so hart, dass sie quer über den Platz flog und schließlich an einem Heuballen landete. Ihre Hüfte schlug schmerzhaft auf der Erde auf und schickte Schmerzsignale in alle Nervenenden ihres Körpers. Diggers asthmatisches Lachen klang ihr in den Ohren. Als sie den Kopf hob, sah sie gerade noch den Ausdruck in Taters Augen. Es war eindeutig Schadenfreude.
In ihrem Gehirn explodierte mit einem Mal ein Feuerwerk. Sie hatte die Schnauze voll!
Die Schmerzen in Bein und Hüfte missachtend, sprang sie auf die Füße und brach wie das Jüngste Gericht über den kleinen Elefanten herein. Sie schüttelte wütend die Faust. »Mach das ja nicht noch mal! Nie wieder! Hörst du?«
Der kleine Elefant wich einen wackeligen Schritt
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