Küss mich Engel
ob sie überhaupt dort schlafen würde. Es gab noch zuviel Ungeklärtes zwischen ihnen.
Als Sheba zu Alex ging, war sie in äußerst schlechter Stimmung. Erst heute morgen hatte ihr Brady erzählt, dass Daisy gar nicht schwanger war. Der Gedanke, dass diese Person Markov-Babies gebären sollte, war so abschreckend, dass sie eigentlich erleichtert hätte sein müssen, doch statt dessen machte sich ein hässliches Gefühl in ihrem Magen breit. Wenn Alex Daisy nicht deshalb geheiratet hatte, weil sie schwanger war, dann musste er es freiwillig getan haben. Er musste es aus Liebe getan haben.
Das Gefühl brannte wie Säure in ihrem Magen. Wie konnte er bloß diese unnütze reiche Göre heiraten, wenn er sie geliebt hatte? Konnte er denn nicht sehen, wie unwürdig Daisy war? Hatte er seinen ganzen Stolz verloren?
Jetzt beabsichtigte sie, einen Plan in die Tat umzusetzen, der ihr schon seit Tagen im Kopf herumgeisterte. Es machte Sinn, geschäftlich gesehen - und sie tat nie etwas, das nicht gut für den Zirkus war, egal wie sie persönlich dazu stand -, aber diese Idee mochte Alex vielleicht endlich die Augen öffnen, was seine Frischangetraute betraf.
Sie kam von hinten an ihn heran, während er gerade am Zeltstangenbohrer arbeitete. Sein verschwitztes T-Shirt klebte an seinen kräftigen Rückenmuskeln. Sie musste daran denken, wie sich diese glatte, feste Haut unter ihren Händen angefühlt hatte, doch anstatt erregt zu werden, empfand sie bei dieser Erinnerung bloß Abscheu und Selbsthass. Sheba Quest, die Königin der Manege, hatte diesen Mann um seine Liebe angebettelt und war zurückgewiesen worden. Ihr Magen verkrampfte sich vor Verachtung.
»Ich muss mit dir über deine Nummer reden.«
Er hob einen schmutzigen Stoffetzen auf und wischte sich die Hände damit ab. Er war ein erstklassiger Mechaniker und hatte es irgendwie geschafft, den altersschwachen Zeltstangenbohrer flott zu halten, doch im Moment konnte sie keine Dankbarkeit für die Kosten aufbringen, die er ihr damit erspart hatte.
»Schieß los.«
Sie beschattete ihre Augen und ließ sich Zeit, ließ ihn warten. Schließlich geruhte sie zu sprechen. »Ich finde, deine Nummer braucht ein wenig Abwechslung. Du hast nur ein paar Kleinigkeiten geändert, seit du letztes Mal mit uns auf Tour warst, und die Saison ist noch zu lange, um jetzt schon schal zu werden.«
»Und was schwebt dir so vor?«
Sie nahm ihre Sonnenbrille vom Kopf und faltete sie zusammen. »Ich will, dass du Daisy mit reinnimmst.«
»Vergiss es.«
»Angst, dass sie‘s nicht schafft?«
»Du weißt, dass sie‘s nicht schafft.«
»Nun, dann musst du sie eben dazu zwingen. Oder hat sie die Hosen bei euch an?«
»Was hast du vor, Sheba?«
»Daisy ist jetzt eine Markov. Es ist Zeit, dass sie anfängt, sich auch wie eine zu benehmen.«
»Das ist meine Sache, nicht deine.«
»Nicht, solange mir der Zirkus gehört. Daisy kann‘s gut mit dem Publikum, und das gedenke ich auszunützen.« Sie blickte ihm lange und hart in die Augen. »Ich will sie in der Vorstellung haben, Alex, und du hast zwei Wochen Zeit, um sie darauf vorzubereiten. Falls sie einen Schubs braucht, kannst du sie gerne daran erinnern, dass ich immer noch Anzeige wegen Diebstahls gegen sie erstatten kann.«
»Ich hab deine ewigen Drohungen allmählich satt.«
»Dann denk dran, wie gut es dem Zirkus täte.«
Als Alex mit dem Reparieren des Zeltstangenbohrers fertig war, ging er zum Trailer, um sich das Schmieröl von den Händen zu schrubben. Er nahm eine Nagelbürste und ein Stück Kernseife aus einer angeknacksten Seifenschale unter dem Küchenspülbecken und musste sich dabei eingestehen, dass Sheba im Grunde recht hatte»Daisy besaß tatsächlich eine außergewöhnliche Wirkung auf das Publikum, und obwohl er dies Sheba gegenüber nicht zugegeben hatte, so hatte er selbst schon des öfteren daran gedacht, sie in seine Nummer aufzunehmen. Er hatte jedoch bis jetzt gezögert, weil er wusste, wie schwierig es werden würde, sie zu trainieren. Die Assistentinnen, mit denen er in der Vergangenheit gearbeitet hatte, waren allesamt erfahrene Zirkusartistinnen gewesen, und die Peitschen hatten ihnen nichts ausgemacht, aber Daisy war voller Ängste. Wenn sie zum falschen Zeitpunkt zuckte...
Er verdrängte den Gedanken sofort wieder. Er konnte ihr beibringen, nicht zu zucken. Er war schließlich von seinem Onkel Sergei trainiert worden. Selbst wenn die Vorstellung vorüber war und der perverse Hurensohn ihn wegen
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