Kuess mich - es ist Karneval
überlegte kurz und begann von neuem.
“Ich will von vorn anfangen. Du weißt, mein Vater hat Rio als Standort für die Automobilfirma gewählt, weil Yolanda nicht fortziehen wollte. Und …”
“Ist Conrado immer so auf ihre Wünsche eingegangen?”
unterbrach sie ihn. Er muß seine Frau sehr geliebt haben, wenn er ihr zuliebe in Rio ein neues Geschäft eröffnet hat, obwohl Sao Paulo lediglich eine Flugstunde entfernt ist, dachte Ellen. “Hat er denn nicht daran gedacht, sich zur Ruhe zu setzen, als er wieder geheiratet hat?”
“O doch. Er hatte für einige Monate zu arbeiten aufgehört, aber schon nach kurzer Zeit war er unruhig geworden”, erzählte Roberto. “Außerdem ging er in die Automobilbranche, weil das für ihn etwas völlig Neues war. Bis dahin war er immer nur in der Eisenerzindustrie tätig gewesen. Das war sein ganzer Lebensinhalt gewesen, doch dann änderte sich seine Einstellung”, Roberto runzelte die Stirn, “und nach und nach überließ er immer mehr Entscheidungen mir, bis ich schließlich das ganze Geschäft selbst leitete.”
Er lächelte und fuhr fort: “Also gründete Conrado mehr zum Vergnügen eine Firma. Das tat er in erster Linie, um eine Beschäftigung zu haben, und zweitens, weil er schon sein Leben lang für Autos geschwärmt hatte. In den ersten zwei bis drei Jahren, in denen die Fabrik aufgebaut und das Modell entworfen wurde, war er begeistert, doch seine Kinder standen für ihn stets an erster Stelle. Immer häufiger nahm er sich die Vormittage frei, und als dann Natalya geboren wurde, widmete er den größten Teil seiner Zeit und seiner Kraft den drei Kindern.”
Ellen versuchte, sich Conrado mit seiner jungen Frau, die er so sehr geliebt hatte, und mit den Kindern, die sie ihm geschenkt hatte, vorzustellen. Sie müssen wirklich eine glückliche Familie gewesen sein. Genau zu so einer Familie wollte ich immer gehören, dachte Ellen wehmütig.
“Machte es Conrado nichts aus, daß er so wenig geschäftlichen Erfolg hatte?” erkundigte sie sich.
Roberto nickte. “Er wußte, daß er früher oder später etwas unternehmen mußte, aber bevor es dazu kam, streikte sein Herz
…” er trank einen Schluck, “und so war es meine Aufgabe, alles durchzusehen und zu sortieren.”
“Weiß Conrados Frau eigentlich, daß er mir die Anteile vermacht hat?”
“Ja. Als das Testament verlesen wurde, mußte sie es erfahren.”
“Und wie hat sie reagiert?” wollte Ellen wissen. “Wenn sie geglaubt hat, daß Vivienne lediglich eine
Geschäftsbekanntschaft gewesen sei, muß ihr das doch sehr merkwürdig vorgekommen sein.”
“Das sollte man annehmen”, gab Roberto zu, “aber sie hat nie etwas dazu gesagt.”
Ellen machte ein skeptisches Gesicht, während sie ihr seidiges blondes Haar nach hinten strich.
Robertos Blick folgte ihrer Bewegung. Für einen Moment schien er wie hypnotisiert zu sein, dann stand er auf. “Also”, sagte er, und sein Ton ließ darauf schließen, daß er auf den für ihn wesentlichen Punkt ihrer Unterhaltung kommen wollte, “du lebst in England, deshalb ist die Autofirma für dich nicht von Interesse, und die Anteile nützen dir überhaupt nichts …”
Ellen unterbrach ihn mit einer Handbewegung. “Einen Moment, bitte. Wenn der Wagen wirklich so gut ist, warum lassen sich dann die Verkaufszahlen nicht anheben? Man könnte eine Werbekampagne starten und für ein oder zwei Jahre freie Wartung anbieten oder etwas Ähnliches …”
“Das ist schon geschehen. Glaub mir, wir haben bereits alles versucht”, unterbrach Roberto sie ungeduldig. “Das Problem ist, daß sich die Brasilianer, die sich ein solches Auto leisten können, lieber einen Wagen aus Europa kommen lassen. Ein europäisches Auto stellt ein Statussymbol dar. Er gehört zur Imagepflege der Wohlhabenden und der Snobs. Diese Leute geben lieber mehr Geld für etwas aus, das sie ebensogut billiger haben könnten, nur um in einem europäischen Wagen gesehen zu werden. Und obwohl unsere Werbespezialisten versucht haben, das Problem von jeder erdenklichen Seite anzugehen, ist es ihnen bisher nicht gelungen, es zu lösen.”
“Und was hast du nun mit unserer Gesellschaft vor?” wollte Ellen wissen.
Roberto zuckte zusammen. “Unserer?”
“Ich bin schließlich Mitinhaberin.” Sie sah ihn mit ihren blauen Augen groß an. “Oder etwa nicht? Was planst du also für unsere Gesellschaft?”
“Momentan halte ich nach möglichen Käufern Ausschau.”
“Du willst
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