Kuess mich - es ist Karneval
verkaufen?
“Ja, auch wenn niemand Interesse an dem bestehenden Konzern hat. Ich werde die Fabrik auseinandernehmen und die Aktivposten, also die Produktionsanlagen und die Grundstücke, einzeln verkaufen müssen.” Er strich sich eine Strähne seines dunklen Haars aus dem Gesicht. “Ich möchte zwar auf keinen Fall Leute entlassen, aber …” Er seufzte.
“Ich danke dir für die Informationen”, sagte Ellen. “Nun muß ich erst einmal alles überdenken, um zu sehen, ob ich damit einverstanden bin.”
“Was soll das heißen? Wieso mußt du mit der Zukunft des Konzerns einverstanden sein?” fragte Roberto schroff. “Darüber hast schließlich nicht du zu entscheiden.”
“Gut. Aber der Besitz von zehn Prozent der Aktien ist mit einigen Rechten verbunden.” Sie zog die Augenbrauen hoch.
“Du hast zwar die Mehrheit, aber ich sollte bei derart wichtigen Entscheidungen ab jetzt ein Wörtchen mitzureden haben.”
“So, denkst du das?” Er sah aus, als würde er ihr am liebsten den Hals umdrehen. “Es ist doch nur eine Formsache, und ich kann dich leicht überstimmen.”
“Aber es ist eine ,Formsache’, die du offenbar gern allein abwickeln möchtest”, sagte Ellen schlagfertig und schmunzelte.
Vor zehn Jahren hätte Robertos Wut sie noch eingeschüchtert, jetzt jedoch bereitete ihr dieser Machtkampf sogar Vergnügen.
“Ich möchte mir, solange ich noch hier bin, die Fabrik ansehen.”
Roberto ballte die Hand zur Faust, bis die Knöchel weiß hervortraten. “Du willst mich wohl auf Trab halten?”
“Nein. Aber du siehst offenbar keine andere Möglichkeit, als die Fabrik zu schließen. In diesem Fall sind zwei Köpfe besser als einer”, erklärte Ellen freundlich. “Und wer weiß, vielleicht habe ich plötzlich einen rettenden Geistesblitz. Dann werde ich”, fügte sie vergnügt hinzu, “vielleicht den Fotojournalismus an den Nagel hängen und Direktorin unserer Gesellschaft werden.”
Roberto murme lte auf portugiesisch etwas, das so klang wie
“nur über meine Leiche”.
“Wenn ich es recht bedenke, könnte ich ein richtiger Gewinn für die Firma sein”, erklärte Ellen.
“Du würdest doch ohnehin nicht in Brasilien leben wollen.”
“Weshalb nicht? Ich spreche sogar schon ein wenig Portugiesisch.”
“Vor zehn Jahren wolltest du nicht hier leben.”
“Das ist nicht wahr”, protestierte Ellen, aber er beachtete sie gar nicht.
“Du bist jetzt für eine Woche in Rio. Dann wirst du wieder in dein Flugzeug steigen und zurück nach England fliegen.”
“Ich werde für einen Monat in Rio bleiben”, klärte sie ihn auf.
“Einen Monat?” wiederholte er erstaunt.
Ellen mußte lächeln, als sie seinen entsetzten
Gesichtsausdruck sah. “Du mußt nicht so schockiert sein. Ich habe nicht vor, die ga nze Zeit bei dir zu wohnen. Ich bleibe nur so lange hier, bis der Karneval zu Ende ist, danach werde ich in ein Motel umziehen. Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt habe ich einige gesehen.”
“Das kannst du gern versuchen”, entgegnete Roberto. “Aber in Rio sind die meisten Motels nicht für Touristen, sondern für Liebespaare gedacht.”
“Für Liebespaare?” Ellen war verwirrt.
“Sie wurden ursprünglich gebaut, um jungen Paaren, die noch zu Hause wohnen, etwas mehr Privatleben zu ermöglichen”, erklärte Roberto. “Inzwischen werden sie auch von verheirateten Leute benutzt, die einmal für ein oder zwei Stunden ohne ihre Kinder sein wollen, und natürlich von Personen, die außereheliche Beziehungen pflegen.”
Ellen sah Roberto an. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
“Dann muß ich mich eben nach einer anderen Unterkunft umsehen. Aber wenn mir nach einer Ferienromanze zumute sein sollte, weiß ich ja nun, wohin ich gehen kann.”
Roberto sah sie überrascht an. “Du würdest dich auf eine Ferienromanze einlassen?”
“Warum nic ht? Auch ich habe ganz normale Bedürfnisse”, erklärte Ellen, indem sie seine eigenen Worte wiederholte.
Dann sah sie Robertos belustigten Blick, und ihr stockte der Atem. Sie hatte doch nur aus Trotz so frivol dahergeredet und es gar nicht so gemeint.
Sie stand auf. “Ich werde einen Blick in die Küche werfen, um zu sehen, was ich uns zum Abendessen kochen kann.”
3. KAPITEL
Ellen hielt das Gesicht der Sonne entgegen und aalte sich in der tropischen Wärme. Das Verdeck des Wagens war heruntergelassen, während sie am Strand von Ipanema entlangfuhren und eine leichte Brise ihr Haar umspielte.
Ellen war sich
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