Küss mich hier und küss mich jetzt (Julia) (German Edition)
kehrt und hastete die Treppe hinauf, die sie erst vor wenigen Augenblicken hinuntergeeilt war.
Kaum oben angekommen, stieß sie ein entsetztes Wimmern aus. Unmittelbar vor ihr stand eine dunkle Gestalt. Sie taumelte zurück, hob die Hände vors Gesicht und öffnete den Mund, um den Schrei auszustoßen, der sich in ihrer Kehle gebildet hatte.
„Oh, nein, das werden Sie nicht …“
Sie wurde an eine unnachgiebige Brust gezogen, eine riesige Hand legte sich über ihren Mund. Gleich darauf ersetzte Wut ihre Furcht, als ihr klar wurde, dass sie sich keinem Phantom aus dem siebzehnten Jahrhundert gegenübersah, sondern dem durchaus menschlichen Kit Fitzroy.
Plötzlich erschien ihr die Vorstellung, von einem Geist angegriffen zu werden, gar nicht mehr so schlimm.
„Lassen Sie mich los!“, fuhr sie ihn an. Oder probierte es zumindest, denn der Laut, den sie hervorbrachte, glich eher einem erstickten Quieken. Trotzdem musste er sie verstanden haben, denn er ließ sie los und stieß sie sogar von sich weg, als leide sie unter einer ansteckenden Krankheit. Sophie schüttelte die Haare aus dem Gesicht und sammelte die Reste ihrer Würde ein. Was nicht einfach war, wenn man gerade dabei ertappt worden war, sich wie ein übergeschnapptes Schulmädchen benommen hatte, das glaubte, ein Gespenst gesehen zu haben.
„Was sollte denn das?“, fragte sie.
Kit zog eine Augenbraue hoch, abgesehen davon blieb seine Miene versteinert. „Ich dachte, das sei offensichtlich. Ich habe Sie davon abgehalten zu schreien und das gesamte Schloss aufzuwecken. Weiß Jasper, dass Sie mitten in der Nacht durch die Flure stromern?“
„Jasper schläft.“
„Aha, natürlich.“ Sein Blick blieb unverwandt auf sie gerichtet. Überrascht zuckte Sophie zusammen, als sich seine Finger um ihr Handgelenk schlossen. Dann hob er ihre Hand hoch, mit der sie noch immer ihr Handy umklammert hielt. „Sagen Sie mir nicht, Sie haben sich auf dem Weg zum Badezimmer verlaufen und wollten ihn mit GPS wiederfinden.“
„Nein“, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich habe mich auf dem Weg in mein Schlafzimmer verlaufen. Wenn Sie mir freundlicherweise die Richtung zeigen könnten …“
„Ihr Schlafzimmer?“ Er ließ ihr Handgelenk los und trat einen Schritt zurück. „Nun, hier ist es definitiv nicht. Die Zimmer in diesem Teil des Schlosses werden seit Jahren nicht benutzt. Aber warum, zum Teufel, schlafen Sie nicht bei Jasper?“
Er war so groß, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um ihn richtig anzusehen. Zwar standen sie im Schatten, doch der höhnische Ausdruck, der in seinen Augen funkelte, entging ihr nicht.
„Ich hielt es nicht für angemessen, im Haus seiner Eltern mit Jasper in einem Zimmer zu schlafen, das ist alles“, erwiderte sie geringschätzig. „Es fühlte sich nicht richtig an.“
„Sie geben ein ganz passables Bild einer zu Recht empörten ehrbaren jungen Dame ab“, entgegnete er gelangweilt, wandte sich um und setzte sich in Bewegung. „Leider ist das bei mir Zeitverschwendung. Ich weiß genau, weshalb Sie ein eigenes Schlafzimmer haben wollen. Und das hat nichts mit Anstand, sondern vielmehr mit der Tatsache zu tun, dass Sie meinen Bruder nicht lieben.“
Es waren diese Worte, die das Fass zum Überlaufen brachten. Meinen Bruder. Bisher hatte sie sich geschworen, sich durch Kit Fitzroys Arroganz nicht aus der Fassung bringen zu lassen, nicht durch seine Fehleinschätzung und am allerwenigsten durch seine ärgerliche, unbestreitbar vorhandene erotische Anziehungskraft. Doch jetzt zerriss etwas in ihr.
„Nein. Sie irren sich“, stieß sie hervor.
„Wirklich?“, fragte er gedehnt und drehte sich wieder zu ihr um.
„Ja!“
Für wen hielt er sich eigentlich, dass er sich hier zum Richter aufspielte? Schließlich war er der Hauptgrund, dass Jasper sie gebeten hatte, seine Freundin zu spielen – um in den verächtlichen Augen seines Bruders „akzeptabel“ auszusehen.
Das konnte sie natürlich nicht sagen, ohne Jasper in den Rücken zu fallen, aber sie brauchte Kits Gemeinheiten auch nicht kommentarlos zu schlucken. Sie folgte ihm in den Korridor.
„Ich weiß, dass Sie das Schlimmste von mir denken, und ich verstehe auch, weshalb. Aber ich möchte Ihnen versichern, es ist nicht so, wie Sie vermuten. Ich würde Jasper nie wehtun oder mit ihm spielen. Er ist der Mensch, der mir am meisten auf der Welt bedeutet.“
Langsam ging er eine kurze Treppe hinauf und bog dann in einen Gang
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