Küss mich hier und küss mich jetzt (Julia) (German Edition)
deren Kleiderschränke vor Designerware bestimmt nur so überquollen. Dann würde sie eben in die Küche gehen und die schreckliche Mrs Daniels nach einer Schere fragen müssen.
So schnell es das eng geschnittene Kleid erlaubte, eilte Sophie zur Haupttreppe. Mittlerweile kannte sie sich im Schloss schon besser aus, das Gemäuer wirkte auch nicht mehr so verwinkelt und von Schatten bevölkert wie vergangene Nacht. Stattdessen schien das Leben in die Gänge und Hallen Einzug gehalten zu haben, überall waren die Stimmen der dienstbaren Geister zu hören, die sich um die letzten Vorbereitungen für die Party kümmerten.
Kalt war es jedoch immer noch. Selbst die Feuer, die in jedem Kamin entzündet worden waren, konnten die Kälte aus den Mauern nicht vertreiben.
Erst in der Nähe der Küche fühlte es sich merklich wärmer an. Unmittelbar neben der Küchentür lag ein nur spärlich beleuchteter Durchgang, der zu den Verliesen führte, wie Jasper ihr bei einer früheren Besichtigung grinsend versichert hatte.
Die Verliese, wo Kit wahrscheinlich untreue Freundinnen einsperrt, dachte sie finster und erschauerte unwillkürlich. Das klackende Echo ihrer Absätze hallte laut durch den Gang. Obwohl das Fenster in der Küchentür beschlagen war, konnte sie sehen, dass Mrs Daniels Reich von einer Heerschar uniformierter Köche übernommen worden war.
Natürlich! Jasper hatte erwähnt, dass sowohl sie, als auch der Butler heute Abend freihatten. Unter diesen Umständen würde sie auf keinen Fall die Küche betreten. Sie wandte sich um, raffte den Rock ein wenig und eilte zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war. Unvermittelt erklang hinter ihr eine Stimme.
„Suchen Sie etwas Bestimmtes?“
Sie wirbelte herum, das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Kit stand im Türrahmen eines der vielen Räume, die von dem Flur abgingen. Ihre Blicke trafen sich, und Sophie glaubte, ihn leicht zurückzucken zu sehen, als eine Gefühlsregung – war es Entsetzen? Oder Missfallen? – über sein Gesicht huschte.
„Ich war auf der Suche nach Mrs Daniels“, erwiderte sie mit erstickter Stimme. Unerklärlicherweise fühlte sie sich, als habe er sie dabei ertappt, wie sie wieder etwas falsch machte. Kein Wunder, dass er es in der Armee so weit gebracht hatte. Vermutlich reichte ein Blick, um gestandene Männer in jammernde Babys zu verwandeln. „Ich wollte mir eine Schere ausleihen.“
„Jetzt bin ich erleichtert.“ Er lächelte kaum merklich. „Denn das bedeutet, ich muss Sie nicht darauf hinweisen, dass ein Preisschild auf Ihrem Rücken baumelt.“
„Nein.“ Auf einmal fühlte sie sich sehr schüchtern.
„Vielleicht kann ich Ihnen helfen? Folgen Sie mir.“
Nach ihm trat sie durch die Tür und fand sich in einem Kellergewölbe wieder, dessen Wände hinter meterhohen Weinregalen verborgen waren. In der Mitte stand ein Tisch, auf dem weitere Flaschen auslagen, daneben ein Messer und ein fleckiges Tuch. Kit griff nach dem Messer.
„W…was tun Sie denn da?“
Wie hypnotisiert beobachtete sie, wie er die Klinge an dem Tuch abwischte.
„Ich dekantiere Port.“
„Weshalb?“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein raues Flüstern. Worte aus dem Zeitungsartikel kamen ihr in den Sinn. Held der weiblichen Herzen. Pflichterfüllung. Einsatz seines Lebens. Es war, als habe jemand das Bild, das sie sich von ihm in ihrem Kopf zusammengepuzzelt hatte, genommen und zerbrochen, sodass die Teile nun ein ganz anderes Bild ergaben.
Ein kleines Lächeln umspielte seine Mundwinkel, doch sein Blick hielt den ihren weiterhin unnachgiebig gefangen. Seine Augen, fiel ihr auf, blickten immer noch kühl, doch die Verachtung war aus ihnen gewichen.
„Um die Ablagerungen zu entfernen. Die Flasche, die ich gerade geöffnet habe, hat vor achtzig Jahren zum letzten Mal das Sonnenlicht gesehen.“
Sophie lachte nervös auf. „Die kann man noch trinken?“
„Wie viele Dinge, wird auch Port mit dem Alter immer besser“, entgegnete er trocken, legte die Hände überraschend zärtlich auf ihre Schultern und drehte Sophie um die eigene Achse. „Möchten Sie mal kosten?“
„Ist er nicht sehr teuer?“
Sophie spürte, wie die Härchen an ihrem Nacken sich aufrichteten, als er mit den Fingern ihre Haut streifte. Sie hielt sich sehr steif, um den Schauer zu unterdrücken, der sie durchlief.
„Für den Preis einer Flasche würden Sie schon mehrere dieser Kleider bekommen“, murmelte er. Warm streifte sein Atem ihren Hals, während er sprach.
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