Küss! Mich! Jetzt! (Julia) (German Edition)
Vielleicht hatte sie Nate auch ins Haus eingeladen, weil sie die Spannung kaum noch aushielt und hoffte, sie würde sich durch einen Kuss entladen? Und wenn ein Kuss nicht ausreichte?
Sie hatte ihm noch immer nicht verziehen, dass er sie vor sechs Monaten einfach stehen gelassen hatte. Und dann auch noch dieses kompromittierende Foto in der Zeitung! Andererseits hatte sie aber auch noch nie zuvor so starke Gefühle für jemanden empfunden. Vielleicht waren es solche Gefühle gewesen, die ihre Mutter veranlasst hatten, ihrem untreuen Ehemann immer wieder zu verzeihen. Wie oft hatte Roxy sich über die Schwäche ihrer Mutter aufgeregt.
Nates Mund war ihrem ganz nah, als Roxy sich in letzter Sekunde umdrehte und ins Haus schlüpfte. Sie hatte sich wieder gefasst und flötete ganz wie die perfekte Gastgeberin: „Ich müsste sogar noch Schokolade im Haus haben, die wir zum Kaffee knabbern können.“
„Etwas Süßes wäre jetzt durchaus willkommen.“
Seine tiefe, selbstsichere Stimme ließ ihr Herz sofort wieder höherschlagen. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, doch sein zufriedenes Lächeln verriet, dass er Bescheid wusste.
Sie schloss die Haustür hinter ihnen ab, knipste überall das Licht an und verschwand in der Küche, die direkt ins Wohnzimmer überging.
„Sieht aus, als würdest du auch zu Hause arbeiten“, meinte Nate angesichts der im Wohnzimmer ausgebreiteten Stoffe und Schneiderutensilien.
„Ja, man könnte denken, ich wäre ein Messie“, rief Roxy und löffelte Kaffee in den Filter. „Aber ich finde es sehr inspirierend. Wenn ich aus dem Geschäft nach Hause komme und eine neue Idee habe, kann ich sie gleich umsetzen und muss nicht bis zum nächsten Morgen warten, um mich im Laden an die Nähmaschine zu setzen.“
Nate zwängte sich an zwei halb bekleideten Schneiderpuppen vorbei und schüttelte sich demonstrativ. „Ich fühle mich beobachtet“, beschwerte er sich im Spaß.
„Wie soll das erst werden, wenn sie anfangen, mit dir zu reden.“
„Jetzt sag bloß, du unterhältst dich mit ihnen.“
Roxy hütete sich, das zuzugeben. Aber wenn sie mitten in der Nacht noch arbeitete, um ein Kleid rechtzeitig fertig zu bekommen, sprach sie tatsächlich mit den Mannequins. Sie setzte Wasser auf und überlegte, was sie von diesem Abend noch erwartete – und warum. Wurde sie ihrer Mutter etwa immer ähnlicher?
„Woher nimmst du deine Ideen?“, fragte Nate und sah sich interessiert um.
„Ich bin immer auf dem neusten Stand der Mode und informiere mich auch über historische Designs. Wenn ich einen Auftrag bekomme, versuche ich, mich in die Braut hineinzuversetzen. Nur so gelingt es mir, ihre Vorstellungen umzusetzen.“
Auf dem Sofa lag eine aufgeschlagene Brautmodenzeitschrift, die Nate durchblätterte. Geistesabwesend fuhr er sich dabei durch sein pechschwarzes Haar. „Hast du auch schon mal völlig danebengelegen?“, fragte er, legte die Zeitschrift wieder zurück und schlenderte in die Küche, wo Roxy gerade das Wasser aufgoss.
„Ich hatte einmal eine Kundin, die unbedingt wie ein Häschen aussehen wollte.“
„Wie ein richtiges oder wie ein Playboy-Häschen?“
„Wie ein Hase: mit großen Zähnen, Möhren und Plüschschwanz. Wir haben uns ausführlich darüber unterhalten. Ich habe ihr Entwürfe vorgelegt und schließlich ein Kleid kreiert, das eigentlich ihren Vorstellungen hätte entsprechen müssen.“
„Aber dann wollte sie doch lieber als Bambi zum Altar geführt werden?“
„Nein, nein. Du musst dir das so vorstellen: eine Winterlandschaft. Das Bolero-Oberteil aus Kunstfell, ein Schleier, der an Hasenohren erinnert, ein Plüschschwänzchen, das ich an der Schleppe befestigt hatte.“
„Und sie fand es schrecklich.“
„Ganz im Gegenteil.“ Der Kaffee war durchgelaufen. Roxy stellte Becher, Zucker und Sahne auf ein Tablett. „Sie war begeistert, bestand aber auf Barthaaren am Schleier.“
„Ziemlich durchgeknallt, wenn du mich fragst.“ Er schüttelte sich.
Roxy goss den Kaffee in die Becher. „Sicher, aber ich habe tatsächlich noch Barthaare in den Schleier integriert. Dann hatte sie jedoch noch eine brillante Idee: Ein Brautstrauß aus frischen Möhren und die männlichen Hochzeitsgäste sollten eine Möhre im Knopfloch haben und die Damen eine Möhrencorsage tragen.“
„Das wird ja immer verrückter.“ Nate griff nach dem Tablett und trug es ins Wohnzimmer, wo er es auf dem Couchtisch abstellte.
„Tja, und dann hat es dem Bräutigam
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