Kuess mich - kuess mich ueberall
gebrauchen.”
Ihre Nervosität wuchs, aber Jill straffte entschlossen die Schultern. „Ich komme sofort.”
„Bist du dir sicher?” fragte Tyler sie noch einmal.
„Ja, das bin ich.”
Jill wusste nicht, ob es klug war, dass sie sich von dem Schicksal dieses Kindes so mitnehmen ließ. Doch nichts hätte sie davon abhalten können, jetzt zu dem kleinen Jungen zu gehen. Als sie ihn dann mit seinem dunklen lockigen Haar und den riesigen verängstigen Augen sah, den rechten Arm in Gips und den Kopf schluchzend an die Schulter einer Sozialarbeiterin gedrückt, brach es ihr fast das Herz.
Tyler kam sofort zu ihr, er wirkte müde und bedrückt. „Wir haben es mit drei Schwestern und einer Sozialarbeiterin versucht, aber der Kleine will sich nicht beruhigen. Wenn du eine Zauberformel weißt …”
Jill ging auf den Jungen zu und streckte die Arme aus. „Ich nehme ihn”, sagte sie ruhig.
Nachdem die Sozialarbeiterin ihn ihr gegeben hatte, setzte sie sich mit ihm in einen Schaukelstuhl. Sanft strich sie Sam über die Stirn und das Haar und flüsterte ihm zu, dass er wieder in Ordnung kommen würde. Dass er immer wieder nach seiner Mutter rief, versetzte ihr einen schmerzlichen Stich, aber sie streichelte ihn unbeirrt weiter, so wie sie auch ihr eigenes Kind zu trösten versucht hätte.
Sams Weinen verwandelte sich in einen erschöpften Schluckauf.
„Möchtest du ein bisschen Orangensaft?” fragte sie ihn leise.
Er steckte den Daumen in den Mund und sah sie schniefend an.
„Möchtest du Saft?” fragte sie noch einmal.
Sam nickte.
Eine Schwester brachte den Orangensaft, und Sam schlürfte ihn laut durch einen Strohhalm. Als er fast fertig war, fing er wieder an zu weinen.
Tyler hob den Kopf. „Soll ich jemand anderen holen, Jill?”
„Nein, nein”, antwortete sie und war entschlossen, bei Sam auszuharren. Irgendjemand musste es tun. „An seiner Stelle wür de ich auch weinen. Kannst du ein paar Kinderbücher auftreiben?”
Tyler nickte.
Jill wiegte Sam behutsam in den Armen und sang ihm leise etwas vor. Er unterbrach sich immer öfter beim Weinen und sah sie aufmerksam an. Tyler brachte die Bücher, und sie begann Sam daraus vorzulesen. In der Mitte des vierten Buchs übermannte ihn die Müdigkeit, und er schlief in ihren Armen ein.
„Soll ich ihn in ein Bett legen?” fragte Tyler.
Sie schüttelte den Kopf. „Er wird Angst bekommen, wenn er in der Nacht aufwacht.”
„Aber du kannst doch nicht bis morgen früh hier bleiben.”
„Warum nicht?” erwiderte sie ruhig. „Es ist Freitag. Ich hätte morgen sowieso nicht gearbeitet.”
„Jemand anders kann sich von jetzt ab um ihn kümmern. Du brauchst nichts mehr für ihn zu tun.”
Jill spürte, dass sie sich in den letzten Stunden verändert hatte. In gewisser Weise war sie durch Sam noch einmal ihrer eige nen Geschichte begegnet. Aber sie hatte sich von ihrem Schmerz nicht unterkriegen lassen. Dieses Mal hatte sie ihn besiegt.
„Ich möchte wirklich bleiben. Mach dir keine Gedanken. Ich fühle mich wohl.”
Tyler lächelte verständnisvoll und nickte. „Sam muss operiert werden, Jill. Seine Mutter war noch ein Teenager, und sie hatte keine Krankenversicherung. Der Vater ist unbekannt.
Wie es aussieht, ist Sam völlig allein auf der Welt. Ich habe Schritte eingeleitet, um Sams Pflegekosten aus den bereits eingegangenen Spenden für die Kinderkardiologie zu bestreiten.”
„Das ist eine großartige Idee.” Mit Sam in den Armen, lehnte Jill den Kopf an die Rückenlehne des Schaukelstuhls und schloss die Augen.
„Du bist eine mutige Frau”, sagte Tyler leise.
„Ach was. In vielen Dingen bin ich eine totale Närrin.” Es wäre Unsinn, immer noch die gewohnte Fassade der harten, tüchtigen Frau aufzusetzen.
„Das glaube ich nicht”, erwiderte er zärtlich. „Und heute ganz bestimmt nicht.”
„Ich war nur hartnäckig”, murmelte sie und gähnte herzhaft. „Mit Hartnäckigkeit kann man die meisten Probleme beseitigen. Wann wirst du die Operation vornehmen?”
„Möglicherweise schon am Sonntagmorgen.”
Jill nickte und öffnete die Augen. Tylers Blick ruhte unverwandt auf ihr, und sie errötete.
„Er hat das Unglück, seine Mutter verloren zu haben, aber er hat das Glück, dass du sein Arzt bist.”
„Wenn du so weitermachst und mir andauernd schmeichelst, steigt mir das noch zu Kopf”, sagte er lächelnd.
Jill konnte nicht mehr gegen ihre Gefühle für Tyler ankämpfen. Sie besaß einfach nicht mehr die
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