Kuess mich, lieb mich - heirate mich
Prüfung möglicherweise noch bevorstand, war ihm zum ersten Mal kurz vor ihrem Termin bei Herbert Grimsby klar geworden. Grimsby war Anwalt, seine Kanzlei befand sich in der Stadt, und er war Jonah Winslows Nachlassverwalter. Die Tinte auf ihrer Heiratsurkunde war kaum trocken gewesen, als er und Carey schon im besten Sonntagsstaat unterwegs in die Stadt waren, wie ein ganz normales frisch verheiratetes Paar, das sich einen Tag Urlaub von der Ranch nimmt.
Luke erinnerte sich genau an den Moment, als Grimsby die Klausel laut vorgelesen und ihn und Carey dann befragt hatte. Ihn hatte es vor Verblüffung fast umgehauen, doch Carey hatte Grimsby gelassen seine Empfehlungsschreiben gereicht. Grimsby hatte sie durchgeblättert und mit einem dünnen Lächeln ge sagt, er werde alles gründlich studieren und sich danach so bald wie möglich wieder bei ihnen melden.
Beim Verlassen der Kanzlei hatten ihm die Knie gezittert. Auf der Heimfahrt hatte Carey ihn gefragt, was denn mit ihm los sei, woraufhin er mit einer nichtssagenden Bemerkung geantwortet hatte und behauptete, Rechtsanwälte seien ihm zutiefst zuwider. Was zum Teil sogar stimmte. Carey hatte sich mit dieser Erklärung zufrieden gegeben und ihn nicht weiter ausgefragt, auch nicht in den darauf folgenden Tagen. Und das, obwohl er noch unwirscher und übel gelaunter war, während er darauf wartete, was Grimsby wohl zu sagen haben würde.
Überraschenderweise hatte dieser keinen Grund zur Beanstandung an seiner Person oder seiner Vergangenheit gefunden. Also hatte der Anwalt grünes Licht gegeben und die juristische Prozedur in Gang gesetzt, damit Carey ihr Erbe bekommen sollte.
Als sie die gute Nachricht erfahren hatte, war Carey zum Stall gerannt, um es ihm zu sagen. Und sie hatte ihn so glücklich angestrahlt, dass er sie am liebsten in die Arme genommen und durch die Luft gewirbelt hätte. Doch es war ihm gelungen, die sen Impuls zu unterdrücken und sich stattdessen wieder dem Pferd zuzuwenden, das er gerade striegelte.
Er war unendlich erleichtert gewesen über den Ausgang dieser „Überprüfung”. Was für ein Glück, dass das noch einmal gut gegangen war. Aber wie lange würde seine Glückssträhne andauern?
Mehr als einmal hatte Luke sich überlegt, Carey alles zu sagen, ihr von seiner Exfrau, Emily, zu erzählen und in welchem Verhältnis er tatsächlich zu Tyler stand. Ihr zu erzählen, dass er jahrelang miterlebt hatte, wie sein Sohn vernachlässigt und ungeliebt von seiner Mutter aufwuchs, ohne etwas dagegen tun zu können. Bis er eine s Abends zu einem unangekündigten Besuch an Emilys Tür geklingelt hatte und dann seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt gesehen hatte.
Ganz gleich, wie die rechtliche Lage war, Luke war überzeugt, dass er in jenem Augenblick gar keine andere Wahl ge
habt hatte, als seinen Sohn mitzunehmen. Seiner
Meinung nach hatte er Tyler das Leben gerettet.
Doch Recht und Gesetz sprachen eine andere Sprache. Dort nannte man das, was er getan hatte, „Entführung”.
Und jetzt versteckte er sich hier auf dieser Ranch und versuchte, etwas Zeit zu gewinnen und irgendwie zu einer Einigung mit Emily zu kommen. Aber konnte er das alles Carey sagen? Seit er hier lebte und arbeitete, war ihm mit jedem Tag klarer geworden, was für ein sympathischer Mensch sie war, eine wundervolle Frau, vernünftig und fair. Er schätzte sie sehr.
Trotzdem wollte er es nicht riskieren. Was, wenn sie kein Verständnis für seine Lage haben würde? Schließlich bestand die Gefahr, dass sie ihr ganzes Erbe wieder verlor, wenn die Wahrheit über die Umstände, unter denen er hier gelandet war, ans Licht kam. Und, was ihm noch wichtiger war, er wollte nicht riskieren, Tyler noch einmal zu verlieren. Nicht jetzt, wo er so kurz davor stand, sich mit Emily zu einigen.
Aber war das denn wirklich der Fall? Durfte er sich überhaupt jemals auf ein Wort von Emily verlassen? Seine Exfrau hielt sich niemals an ihre eigenen Bedingungen, ständig erhöhte sie ihre Forderungen. Immer wenn er glaubte, er habe sie end lich zufrieden gestellt, wollte sie noch mehr und immer noch mehr.
Aber diesmal musste er davon ausgehen, dass sie es bei ihrer letzten Forderung belassen würde. Die Summe war, verdammt noch mal, hoch genug. Er hatte ihr bereits den größten Teil des Geldes, das Carey ihm bis jetzt gezahlt hatte, überwiesen. Dass sie ihm nicht die Polizei auf den Hals schickte, obwohl sie damit gedroht hatte, konnte er nur hoffen. Bei ihrem letzten
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