Kuess mich, Playboy
sie für eine streunende Katze? Erwartete er jetzt etwa bedingungslose Dankbarkeit von ihr?
Sie würde ihm nicht ihr Leben überlassen. Ja, sie hatte ihn geheiratet. Die Wahl, mit einem Ganoven nach Amerika zu gehen oder mit einem Killer in San Giuseppe zu bleiben, war leicht zu treffen gewesen. Es war nur erstaunlich, dass er bei dem infamen Spiel mitgemacht hatte. Die letzten Stunden hatte sie angestrengt überlegt, welche Gründe es dafür geben könnte.
Sie hatte mehrere gefunden. Ihr Vater hatte ihn bezahlt, damit er sie heiratete. Ihr Vater hatte ihm gedroht, damit er sie heiratete. Nun, Letzteres kam als Grund wohl eher weniger infrage. Was immer der Amerikaner war, ein Feigling war er nicht.
Vielleicht war ihm auch einfach nur klar geworden, welche Vorteile sich aus einer Ehe mit der Tochter des don für ihn ergaben. Über ihre weiblichen Reize machte sie sich keine Illusionen, sie war unscheinbar und mager, so ganz und gar nicht wie die üppigen Frauen, die die Blicke der Männer auf sich zogen. Aber sie war die direkte Verbindung zu ihrem Vater und damit zur Macht.
Obwohl die Gründe eigentlich unwichtig waren. Wichtig war nur, dass er sie geheiratet hatte. Sie war ihm dankbar, weil er ihr das Schicksal als Giglios Ehefrau erspart hatte, aber ihre Dankbarkeit kannte Grenzen. Sie hatte nie den Wunsch gehabt zu heiraten, und sie hatte auch nicht vor, verheiratet zu bleiben. So wie Raffaele Orsini sie jetzt ansah, musste er ähnlich denken.
Es wurde Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen. Also sprach sie es laut aus.
Er hob eine dunkle Augenbraue. „Wessen Karten?“
Chiara runzelte die Stirn. „Was meinen Sie, wessen Karten? Die Karten. Ist es nicht das, was man auf den Tisch legt?“
„Nicht unbedingt. Deine oder meine Karten?“ Der Anflug des amüsierten Grinsens verflog. „Setz dich.“
„Ich möchte lieber …“
„Setz dich“, donnerte er und deutete mit dem Kinn in die Richtung des Ledersessels vor ihm.
Chiara stieß zischend die Luft aus. Genau, wie sie vermutet hatte. Er hielt sie für sein Eigentum. Nun, je eher er seinen Irrtum erkannte, desto besser. Doch im Moment war es unsinnig, sich ablenken zu lassen.
„Nun?“
Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schaute sie mit undurchdringlicher Miene an. Das Jackett hatte er ausgezogen, sobald sie an Bord gegangen waren, die Krawatte gelöst, die obersten beiden Hemdsknöpfe geöffnet und die Ärmel aufgekrempelt. Er sah sehr … sehr maskulin aus. Aggressiv. Hatte er das absichtlich gemacht, um sie einzuschüchtern? Die breiten Schultern wurden von dem Hemd betont, der offen stehende Kragen zeigte seinen starken gebräunten Hals, die aufgerollten Ärmel gaben den Blick auf muskulöse Unterarme frei …
„Sag mir Bescheid, wenn du mit der Bestandsaufnahme fertig bist.“
Chiaras Kopf ruckte hoch. Dieses amüsierte Lächeln stand wieder auf seinem Gesicht. Sie wurde rot. Warum machte er es ihr so schwer? Er wollte diese Ehe doch genauso wenig wie sie. Sie hatte die ganze Zeit nur geschwiegen, weil sie gehofft hatte, er würde den ersten Schritt tun. Sie kannte doch Männer wie ihn. Die mussten immer glauben, dass sie die Kontrolle über die Situation hatten.
„Was Sie getan haben … Ich meine, als Sie um meinen Hand baten …“
Er schnaubte. „Ich habe um nichts gebeten.“
„Nein, natürlich nicht. Ich will sagen, wenn Sie mir keinen Antrag gemacht hätten …“
„Du hast die Fakten missverstanden, Baby. Ich habe dir keinen Antrag gemacht.“
„Ich benutze lediglich eine Redewendung, Signor Orsini.“
„Und ich rede von Fakten. Ich habe weder gebeten noch einen Antrag gemacht.“ Wieder kniff er die Augen zusammen. „Und dennoch, Wunder über Wunder, sitzen wir hier zusammen.“
Sie nickte, aber es war kein Wunder. Er hatte den Auftrag gehabt, sie zu heiraten, und er hatte seinen Auftrag erledigt. „In der Tat“, sagte sie höflich. Jetzt kam der schwierige Teil. Irgendwie musste sie ihm klarmachen, dass er nun, nachdem er seinen Auftrag erfüllt hatte, einen Schritt zurücktreten und ihnen beiden die Freiheit zurückgeben musste. Sie konnte ihm ein kleines Vermögen für die Scheidung bieten. Ihre Mutter hatte ihr den gesamten Schmuck hinterlassen. Den die Mutter nie getragen hatte. Eitelkeit ist eine Todsünde, hatte sie immer gesagt. Aber ihre Mutter war nicht dumm gewesen, sie hatte den Schmuck versteckt und Chiara verraten, wo diese die Schmuckschatulle finden würde. Für den Fall, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher