Kuess mich, Playboy
seinen Augen auch in diesen schwarzen Säcken schön, von denen sie einen schier unerschöpflichen Vorrat in ihrem Koffer zu haben schien. Und wenn jemand auf der Straße sie mit einem mitleidigen Grinsen taxierte, dann bedachte Rafe denjenigen mit einem so eiskalten Blick, dass der schnellstens eine andere Miene aufsetzte.
Die Tage waren also perfekt, nur die Abende, wenn Rafe Chiara zu ihrem Zimmer brachte, waren die pure Quälerei. Er war ein gesunder Mann im besten Alter. Er hatte viele Frauen begehrt, aber nie eine so schmerzhaft wie Chiara.
Dass sein Körper sich beschwerte, war zu verstehen. Aber wieso schmerzte sein Herz auch? Es war verrückt, schließlich wusste er doch, dass Sex und körperliches Verlangen nichts mit dem Herzen zu tun hatten.
Das war es, was er sich sagte, als sie nach einem weiteren Tag voller Lachen in einem kleinen Restaurant in Chinatown saßen. Irgendwann zwischen den raffiniert zubereiteten Dim Sum und dem Rindfleisch nach Szechuan-Art sah Rafe seine Frau an, und sein schmerzendes Herz wurde plötzlich eiskalt.
Welches Spiel spielte sie?
Das Ganze war ihre Schuld. Dass sie verheiratet waren. Dass er langsam verrückt wurde, hin- und hergerissen zwischen dem wilden Verlangen, sie in sein Bett zu zerren, und der Überzeugung, sie vorsichtig wie Glas behandeln zu müssen, um sie nicht zu zerbrechen.
Und sie wusste es genau. Alle Frauen spürten das mit untrüglicher Sicherheit. Spielte sie deshalb das Mauerblümchen? Diese Ich-sehne-mich-nach-einem-einfachen-Leben-Rolle? Küsste sie ihn deshalb so heiß, weil sie wusste, dass sie ihn damit in einen Zustand versetzte, den er seit seinem sechzehnten Lebensjahr nicht mehr durchgemacht hatte?
Natürlich. Alles war nur gespielt. Was sonst sollte es schon sein, dachte er grimmig. Mitten in ihrem angeregten Geplauder ließ er seine Essstäbchen fallen und schob seinen Stuhl zurück.
Chiara schaute verwirrt auf. „Raffaele?“
„Es ist spät“, knurrte er. „Ich muss morgen wieder zurück an die Arbeit.“ Daran hatte er zwar bisher nicht gedacht, doch es war eine hervorragende Idee. Er zog seine Brieftasche hervor und warf ein paar Geldscheine auf den Tisch. „Gehen wir.“
Sie starrte ihn an. Er blinzelte nicht einmal, selbst dann nicht, als ihre Augen feucht zu schimmern begannen. Das sind keine Tränen, sagte er sich. Nur das Licht. Oder noch ein Trick von ihr.
„Gehen wir“, wiederholte er, und sie legte die Stäbchen ab und stand auf.
Im Taxi liefen ihr stumme Tränen über die Wangen. Ehrlich gesagt, ihm war es gleich. Das war’s. Endgültig. Sayers war morgen wieder in der Kanzlei. Perfektes Timing. Er würde sie anrufen und die Scheidung in die Wege leiten, und dann hatte dieser Wahnsinn endlich ein Ende.
Die Fahrt im Taxi verlief in Schweigen, ebenso die im Aufzug. Heulte Chiara immer noch? Er wusste es nicht zu sagen, hielt sie doch ihr Gesicht konstant von ihm abgewandt. Umso besser. Er hatte dieses Gesicht einmal zu oft gesehen.
Erst in der Diele schwang sie zu ihm herum. „Raffaele.“ Ihre Stimme bebte. „Was habe ich falsch gemacht?“
„Nichts“, erwiderte er. „Ich bin es, der etwas falsch gemacht hat. Ich hätte mich eher der Realität stellen müssen. Wir bedeuten einander nichts. Wir wurden von zwei alten Männern zu etwas gezwungen, das wir beide nicht wollten. Es wird Zeit, die Farce zu beenden.“
Ein leises Wimmern entfuhr ihr. Ihm wurde die Kehle eng, aber Teufel, irgendjemand musste doch irgendwann die Wahrheit aussprechen.
Lange schwieg sie, den Kopf abgewandt. Als sie sich dann wieder zu ihm drehte, starrte er sie verblüfft an. Ihre Miene war ruhig und gelassen. Sie wirkte gefasst, ja geradezu erleichtert.
„Danke, dass du die Wahrheit laut aussprichst.“ Das Beben in ihrer Stimme war verschwunden, ebenso wie die Tränen in den veilchenblauen Augen. „Du hast recht, es ist unsinnig, mit dieser Scharade weiterzumachen. Ich wäre dir dankbar, wenn du morgen deine Anwältin anrufen könntest.“
Er nickte. Sie ging zur Treppe. Er sah ihr nach, bis er oben ihre Zimmertür gehen hörte.
Und plötzlich wusste er, dass er das Einzige verloren hatte, was auf dieser Welt von Wert für ihn war.
„Chiara“, murmelte er. Dann rief er laut ihren Namen. „Chiara!“
Er rannte die Treppe hinauf, zwei Stufen auf einmal nehmend, stieß die Tür zu ihrem Zimmer auf.
„Chiara, Kleines. Ich meinte es nicht so! Ich wollte nicht …“
Sie drehte sich zu ihm um, das Gesicht nass von
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