Küss mich, Sweetheart: Roman (German Edition)
vermischte Geschäftliches nie auch nur annähernd mit Privatem. Das gehörte zu einem der wichtigsten Grundsätze, nach denen er lebte. Was zweifellos eine Erklärung dafür war, warum sein gesellschaftliches Leben so gut wie nicht vorhanden war.
Nun, als er nach Sweetheart zurückgekehrt war, da hatte er zu Anfang mit der einen oder anderen Frau gelegentlich ein Date gehabt. Doch es stellte sich heraus, dass gelegentliche Dates mit dem Status eines noch zu habenden Junggesellen in Sweetheart nicht vereinbar waren. Paare zu verkuppeln war in Sweetheart ein Volkssport, und die Gerüchteküche brodelte ständig. Der weise Mann lernte schnell, sich auf leisen Sohlen zu bewegen, immer einen großen Stock parat zu haben und auf der Hut zu sein, was in seinem Rücken passierte.
Wie es aussah, würden die Gerüchte sich bald überschlagen, dachte Sam und lehnte sich in seinem Sessel noch weiter zurück.
Gillian Charles war die größte Sensation, die Sweetheart seit dem Killertornado F3 zu vermelden hatte, der vor einigen Jahren im Sommer nahezu den halben Wohnwagenpark ausradiert und ein paar unglückliche Seelen hinweggerafft hatte.
Er warf einen Blick auf die Bürouhr und legte dann die Hände flach auf seinen Schreibtisch. »Oh, Shit.« Er entschuldigte sich umgehend. »Verzeihen Sie mein schlechtes Französisch.«
»Dann meinen Sie wohl Merde .«
Ms. Charles hatte tatsächlich Sinn für Humor, was ihn überraschte. Das hätte er nicht erwartet.
»Stimmt etwas nicht?«, hakte sie nach.
»Ich habe Max vergessen«, bekannte er.
Die Porzellanhaut auf ihrer nicht zu hohen, aber auch nicht zu niedrigen Stirn legte sich in Falten. »Max?«
Sam sprang aus seinem Sessel auf, schnappte sich sein Jackett von der Sessellehne und schlüpfte rasch hinein. »Ich muss ihn jetzt unbedingt füttern gehen, sonst steigt Carol mir aufs Dach.«
Seine Klientin schien leicht amüsiert. »Und wer ist Carol?«
»Meine Sekretärin.«
»Und Max ist …?«
»Ein Belgischer Schäferhund.«
Gillian Charles folgte seinem Beispiel und erhob sich ebenfalls. Schnell sammelte sie ihre Sachen zusammen. »Gut, wir wollen ja schließlich nicht, dass Ihnen der Tierschutzbund auf die Pelle rückt.«
»Besser nicht. Der Mann meiner Sekretärin ist immerhin Vorsitzender der hiesigen Sektion, und sie ist seine Stellvertreterin. Die beiden nehmen ihre Verantwortung gegenüber unseren vierbeinigen Freunden sehr ernst.«
Während Sam die Schlüssel heraussuchte, wartete die elegante Dame in Schwarz in der Eingangsdiele zu seinem äußeren Büro. »Wie würden sie denn davon erfahren, dass Sie Max zu spät gefüttert hätten?«
»Goldie würde es ihnen erzählen.« Er überlegte, ob er ihr von Mrs. Goldmann erzählen sollte. »Goldie wohnt mir gegenüber auf der anderen Straßenseite. Sie ist allein und ein bisschen einsam, seit ihr Mann das Zeitliche gesegnet hat. Auf jeden Fall hat sie gern ein Auge auf die Nachbarschaft. Dann ist sie beschäftigt.« Das Fernglas ließ er lieber weg. Im Moment jedenfalls noch. »Goldie spricht auch gern mit jedem, der ihr zuhört, und das ist so gut wie jeder in der Stadt, weil sie immer den neuesten Klatsch kennt.«
Sam ließ seinen Blick auf ihrem Gesicht ruhen. Zum ersten Mal bemerkte er die dunklen Ringe unter ihren Augen, so als habe die Frau seit Ewigkeiten nicht geschlafen.
»Haben Sie überhaupt kein Privatleben?«, fragte sie.
»Wenig. Nicht hier in Sweetheart«, sagte er. Er knipste das Licht aus und bedeutete ihr, die Treppe ins Parterre des Bagley-Gebäudes hinunterzugehen.
Die Mietlimousine und der Chauffeur warteten immer noch geduldig am Straßenrand.
»Ist das Ihr ganzes Gepäck?«, fragte Sam, als sich der Kofferraum geöffnet hatte und darin zwei nicht besonders große Louis-Vuitton-Koffer sichtbar wurden.
»Der Rest kommt mit der Spedition«, erklärte sie.
Er hätte es ahnen müssen. Eine Gillian Charles hielt nichts davon, mit leichtem Gepäck zu reisen.
»Mein Geländewagen steht um die Ecke«, teilte er ihr bereitwillig mit. »Warum lassen Sie James nicht nach Indianapolis zurückfahren, und ich kümmere mich darum, dass Sie mit Ihrem Gepäck wohlbehalten nach Hause kommen?«
Gillian willigte ein und steckte James ein Trinkgeld zu, das wie eine Hundert-Dollar-Note aussah. Die Dame wusste zumindest, was Großzügigkeit war. Sam hatte eine Menge reicher Leute kennen gelernt, die jeden Dollar zweimal umdrehten, als wäre es ihr erster und letzter Schein.
So seltsam es war, aber
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