Küss mich, Sweetheart: Roman (German Edition)
scheinen sich hier aber extrem lange zu halten.«
Sie war wirklich hartnäckig.
Sam räusperte sich. »Es ist schwierig, in die Stadt zurückzukehren, in der man aufgewachsen ist und wo die Leute einen schon als Kind kannten. Die Leute tun sich dann schwer, einen beruflich ernst zu nehmen.«
»Das kann ich verstehen«, sagte sie.
Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Wenn Sie dann noch das gesellschaftliche Problem hinzunehmen, wird das nahezu unmöglich.«
Sie hob fragend die Augenbrauen. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, das für mich zu übersetzen?«
Warum nicht? »Ich habe entdeckt, dass ich nicht der Anwalt sein kann, der ich sein will oder besser sein muss, und mich gleichzeitig privat mit den Leuten verabreden.« Jetzt konnte er ihr auch die ganze Geschichte erzählen. Allerdings die jugendfreie Version. Er atmete hörbar aus. »Es waren nicht nur weibliche Singles, die mir nachstellten, sondern auch Ehefrauen.«
Sie begriff schnell. »Die unverheirateten Frauen hörten die Hochzeitsglocken läuten, und die verheirateten Frauen versprachen sich ein wenig Abwechslung oder einen weiteren Strich auf der Strichliste ihrer Affären.«
Die Ampel sprang auf Grün. Sam konzentrierte sich wieder auf das schwarze Straßenband vor seinen Scheinwerfern. »Ja, so ungefähr – in Kurzfassung.«
»Interessantes Problem.«
So konnte man die peinliche Situation, in der er sich befunden hatte, vermutlich auch sehen. »Jedenfalls ging ich ein paar Mal mit einer alten Schulfreundin von der High School aus. Dann versuchte ich mich mit einer Buchhändlerin von hier – ausgerechnet einer Buchhändlerin – zu verabreden. Es ging beide Male gehörig in die Hose.«
Neben sich hörte er ein singendes »Aaaah«.
»Was heißt denn hier ›aaaah‹?« Sam machte eine Handbewegung in der Luft.
»Sie waren ein Objekt der Begierde.«
Sam fühlte sich nicht gerade wohl in seiner Haut, als er eingestand: »Verdammt, Gillian, es war das einzige Problem, das ich nicht bedacht hatte, als ich nach Sweetheart zurückkehrte.« Er schüttelte angewidert den Kopf. »Ich weiß, die Zeiten haben sich geändert, und ich bin weiß Gott nicht prüde. Ich war mir nur nicht bewusst, dass ein Mann seinen Ruf wie das Gold in Fort Knox bewahren muss.«
»Und um Ihren guten Namen zu schützen, haben Sie dafür gesorgt, dass die Geschichte von Ihrer in die Brüche gegangenen Verlobung und von Ihrem gebrochenen Herzen in der Stadt die Runde machte. Kurz, Sie haben ein ›Betreten verboten‹-Schild aufgestellt.«
»Hübsch zusammengefasst, Ms. Charles.«
»Danke, Mr. Law.« Ihr schien noch ein Gedanke zu kommen, den sie loswerden wollte. »Ich wette, Sie haben es Mrs. Goldman erzählt.«
Er hielt den Blick konzentriert auf der Straße. »Genau genommen war es meine Mutter, die Goldie anvertraute, ich sei von einer New Yorkerin der herzlosen feinen Gesellschaft zutiefst enttäuscht worden und hätte jetzt allen Frauen abgeschworen.« Er lachte verlegen. »Nun, Sie können sich vorstellen, wie die Gerüchteküche daraufhin brodelte.«
»Erstens, im Namen der feinen Gesellschaft der ganzen Welt, verwahre ich mich dagegen, in die Ecke der gemeinen Schufte gestellt zu werden.«
»Wäre das etwa nicht schuftig?«
»Zweitens, jeder, der auch nur über einen Funken Menschenverstand verfügt, muss auf Anhieb sehen, dass Sie hetero sind.«
»Und genau das ist der Punkt, Gillian. Leute mit gesundem Menschenverstand sind nicht diejenigen, die Gerüchte streuen.«
»Tja, das ist nicht fair.«
»Nein, das ist nicht fair.«
»Ich verstehe«, sagte sie nach kurzem Schweigen.
Mochte sein, dass sie wirklich verstand.
Gillian warf ihm einen wissenden Blick aus den Augenwinkeln zu. »Stellen Sie sich vor, eine unverheiratete Frau zu sein, die über genügend Mittel verfügt, um unabhängig zu sein.« Sie atmete einmal tief durch. Dann wandte sie sich ihm zu. »Gut, stellen Sie sich weiter vor, eine Erbin zu sein, die, wenn auch unverdient, in dem Ruf steht, über mehr Geld als Verstand zu verfügen.«
Als sie nicht weiterredete, drängte er: »Weiter.«
Dennoch zögerte sie.
»Ich habe mein Innerstes vor Ihnen bloßgelegt«, sagte er. »Das Mindeste, was ich von Ihnen erwarte, ist, dass Sie mich jetzt nicht im Regen stehen lassen.«
Plötzlich strömten die Worte aus Gillian nur so heraus. »Seit meiner Teenagerzeit wurde ich auf Schritt und Tritt von Gerüchten verfolgt. Laut Presse war ich mit mehreren Dutzend Männern auf drei Kontinenten
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