Küss mich, Sweetheart: Roman (German Edition)
»Gegensätze ziehen sich an, heißt es doch im Volksmund.«
»Und die beiden sind deiner Meinung nach Gegensätze?«
»Ja. Man braucht doch kein Hellseher zu sein, um das zu sehen: Sie sehr schick und weltmännisch, während Sam trotz all der Jahre, die er im Osten war, ein Kleinstädter geblieben ist. Sie sieht aus, als könnte sie das Geld zum Fenster hinauswerfen, und Sam ist, wie jedermann weiß, arm wie eine Kirchenmaus. Sie ist auf eine irgendwie sanfte, zarte, blasse Art hübsch, und Sam ist ein großer, dunkler und verdammt gut aussehender Typ.«
»Sie geben wirklich ein schönes Paar ab.« Mit verengten Augen und gekrausten Lippen ließ Goldie sich herab, wenigstens das einzuräumen. »Du weißt doch wohl, was das bedeutet, Minerva?«
»Was denn?«
»Ich hatte die ganze Zeit über Recht.« Goldie streckte die Brust vor. »Ich hab die ganze Zeit gesagt, dass die Frau aus seiner Vergangenheit der Grund dafür ist, dass Sam seit seiner Rückkehr unsere hiesigen Mädchen verschmäht.«
»Vermutlich erklärt das tatsächlich vieles«, pflichtete Minerva ihr bei, ohne die Augen von dem Paar zu lassen.
»Sag ich doch.« Elvira Goldman leckte sich die Lippen. »Ach ja, Minerva, vielleicht steht uns doch noch ein interessanter Frühling bevor.«
Mary Lou Preston jedenfalls hatte genug gehört. Sie klopfte mit ihrem Bleistift ein wenig ungeduldig gegen ihren Bestellblock. »Möchten die Damen Erdbeer- oder Apfelpie zum Nachtisch?«
Gillians Blick ging zu dem Schild, das im McGinty’s über der Bar angebracht war: BIER IST DER BEWEIS DAFÜR, DASS GOTT UNS LIEBT UND WILL, DASS WIR GLÜCKLICH SIND – Benjamin Franklin.
»Was möchten Sie haben, Miss?«
Gillian sah zu der Bedienung hoch, die bei ihrem Tisch aufgetaucht war. In ihrer rechten Hand hielt sie einen Bleistiftstummel, um die Bestellung auf einem grünen Block aus Recyclingpapier entgegenzunehmen. Gillian wollte schon herausplatzen, dass sie noch gar keine Zeit gehabt habe, die Karte zu studieren, entschied sich dann aber anders. »Ich nehme, was Sam nimmt.«
Sam sah auf und schenkte der Kellnerin ein freundliches Lächeln. »Für mich das Übliche, Mary Lou.«
Die Frau lächelte zurück, wobei ihre Gesichtszüge plötzlich sehr weich wurden. »Aber klar doch, Sam. Dann also zweimal Corned Beef auf Roggenbrot, mit extra Käse, wenig Sauerkraut, Dressing daneben, zwei Portionen Fritten und zwei Bier.«
Sam wandte sich Gillian zu und sah sie aufmerksam an. »Ganz sicher, dass es das Gleiche sein soll, was ich will?«
Sie zögerte, schluckte nur ein ganz klein wenig und beteuerte dann: »Klar bin ich sicher.«
»Ich bin gleich mit dem Bier zurück«, sagte die Frau, die Sam Mary Lou genannt hatte.
Als sie wieder allein waren, beugte Sam sich zu ihr vor und fragte: »Mögen Sie überhaupt Bier?«
»Ich sage immer: ›Wenn du in Rom …‹« Gillian ließ den Satz unvollendet.
»Ach ja, natürlich, Sie waren in Rom.«
»Ja.« Sie hielt es für überflüssig, ihm gegenüber zu erwähnen, wie oft sie dort gewesen war. »Ich bevorzuge Florenz.«
»Ah, die Toskana.« Sam schwieg, bis ihre Getränke serviert waren. Sie beobachtete, wie er, ein traditionelles Bierglas in der einen und eine Flasche Bier in der anderen Hand, die dunkle Flüssigkeit schräg einschenkte, sodass sich eine perfekte Schaumkrone bildete. Er sah sie an. »Stimmt es, was die Leute über die Toskana erzählen?«
»Was erzählen sie denn?« Sie versuchte es ihm beim Einschenken des Biers gleichzutun und stellte fest, dass die Handhabung von Flasche und Glas schwieriger war, als es zunächst den Anschein hatte.
»Das Licht in der Toskana soll anders sein als sonst irgendwo auf der Welt.«
»Das ist wahr«, sagte sie und setzte das Glas zu einem ersten Schluck an, wobei sie sich bemühte, das Gesicht nicht zu verziehen, als sie seinen bitteren Geschmack auf der Zunge spürte. »Ich persönlich glaube, dass es die Kombination aus der kristallklaren Luft, dem Überfluss an Sonnenlicht und den unbeschreiblichen und dennoch zarten Schattierungen des Marmors ist, der für alles verwendet wird, angefangen bei den Reproduktionen von Michelangelos Pietà bis zu den großen Höfen der Palazzi auf dem Lande.« Sie ließ die Zunge über die Lippen gleiten. »Und all der Chianti natürlich.«
Sam grinste sie über den Tisch hinweg an. »Das ist Ihre ganz persönliche Theorie, oder?«
Gillian nickte und nahm einen zweiten Schluck Bier. Es war nicht mehr ganz so bitter wie beim ersten
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